13. Die übrigen ‚Arisierungen‘

Die übrigen ‚Arisierungen‘
Die übrigen „Arisierungen“ in Krems sind zur Zeit bei weitem nicht so ausführlich dokumentierbar wie im Fall Geppert und Zumpfe. Für das Sägewerk Jackes und Alfred Schafranek in Gedersdorf und den Uhrmacher Peter Bader war ebenfalls Felix Wolf als kommissarischer Verwalter bestimmt. Wie der Möbelfabrikant Johann Zinterhof‘ dazu kam, die „Arisierung“ des Betriebes in Erwägung zu ziehen, geht aus der Zeugenaussage nicht hervor. Zinterhof gelingt es, sein Engagement im Vergleich zum Verhalten von Wolf positiv zu schildern. „Felix Wolf wurde bald nach dem Umbruch als kommissarischer Verwalter eingesetzt, kümmerte sich aber wenig um den Betrieb und bezog ca. 400 RM monatlich Honorar, während ich als der in Aussicht gezogene Erwerber mit Schafranek bereits im Geschäft arbeitete.“2 Da – laut Zinterhof – auf dem Betrieb 250.000 Schweizer Franken Schulden lasteten, zogen sich die Verhandlungen bis 1941, bis die Schweizer Gläubiger die Zwangsversteigerung forderten und Zinterhof über diesen Umweg den Betrieb erwarb. Karl Frank, der Betriebsleiter der Firma Schafranek/Zinterhof datierte den Kauf des Betriebes mit 10.4.1943.‘ Felix Wolf zufolge soll noch ein „gewisser Mauricius Troll“ als Verwalter eingesetzt worden sein, von dem Zinterhof lediglich berichten kann, daß er heftigst auf die Auszahlung seines Honorares gedrängt habe. Im November 1938 inserierte „Der kommissarische Verwalter“ mehrmals in der „Land-

Verladung von zwei Maschinen von Alfred Schafranek
(betrachtet die drei Arbeiter mit angewinkelten Armen)
auf dem Bahnhof in Gedersdorf im Jahr 1938

Zeitung“ und fordert jene Personen auf, „die bei der Firma Peter Bader (…) Uhren oder Goldsachen zur Reparatur haben“, diese bis längstens 31. Dezember beim Uhrmacher Eduard Eimer abzuholen.4 Für den Restbestand des Uhrmachers Peter Bader war von der Kreisleitung und von Felix Wolf der Uhrmacher Eduard Eimer bestimmt worden, der den Wert der von ihm übernommenen Waren mit 1.100 RM angibt.‘ „Preziosen und größere Wertgegenstände habe ich nicht übernommen. Meines Wissens haben diese Sachen die Abwickler, darunter auch Wolf, weggebracht. Eine Liste der von mir übernommenen Waren liegt ebenfalls bei der vorgenannten Stelle auf.“ (Abwickler für die jüdischen Einzelhandelsfirmen des Uhren- und Juwelenfaches, Wien, Spiegelgasse 13. Anm. R. St.)6 Eduard Eimer hat nach eigenen Angaben aus dem Bestand der Firma Bader für sich „keine Prozente genommen“ und die unverkaufte Ware an die Abwicklungsstelle abgeliefert. Unter welchen Bedingungen die „Arisierung“ der Kohlenhandlung von Otto Auspitz verlaufen ist, läßt sich nur durch die Aussage von Johann Kohn andeuten, der vor seiner Flucht aus Krems auf dem Körnermarkt gewohnt hat: „Bitte, wie der Umbruch war, da war die Hölle los. Da haben sie den Auspitz auf dem Boden geschleift. Der hat keinem Menschen was gemacht. Das war der Pöbel. (…) Ich habe gesehen, wie sie die Leute auf die Straße gezerrt haben und habe immer gewartet, daß jeden Moment einer zu mir kommt.“ Als neuer Besitzer der Kohlenhandlung bot sich Theodor Angerer an, der einerseits illegaler SS-ler war, andererseits selbst eine Kohlenhandlung führte. Bis zum August 1939 dürften sich die Verhandlungen hingezogen haben, denn erst zu diesem Zeitpunkt gab Angerer die „Geschäfts-Übersiedlung“ bekannt.“ Über die Umstände der Vertreibung und des Verkaufes der Firma Otto Auspitz wollte die Tochter, die in Uruguay lebt, keine Auskunft geben: „Ich schreibe nicht weiter, sonst kommt mir die Vergangenheit zu hoch.“9 Schneller als im Fall Angerer konnte die Firma Josef Stebel (Gemischtwarenhandel) bereits am 30. März die Übernahme der „Shinx-Benzin-Pumpe“ an der Ecke Adolf Hitlerstraße/ Dinstlstraße ihren Kunden „freundlichst“ bekanntgeben und um regen Zuspruch bitten.“ Betrieben hatte diese Pumpe Arnold Kerpen, der in unmittelbarer Nähe sein Delikatessengeschäft besaß. In den Akten des Bürckel-Archives findet sich noch in der Beilage zu einem Schreiben des Reichskommissars an die Vermögensverkehrsstelle der Name eines Kremsers, der am 29.7.1938 ein „Arisierungsansuchen“ gestellt hatte, wobei der zu „arisierende“Betrieb nicht angegeben ist. Bei diesem Mann handelt es sich um Franz Proidl, der in der Langenloiserstraße 69 gewohnt haben soll.“ Aus der unmittelbaren Umgebung von Krems findet sich in diesen Beständen noch ein Ansuchen von Silvester Mayerhofer,12 Langenlois, Wienerstr. 16, der sich um das Ledergeschäft von Leopold Fischer in Langenlois bewarb.13 Für die Färberei und chemische Wäscherei von Josef Smetana'“ wird in der Liste der jüdischen Gewerbebetriebe von Krems ein Franz Hotschevar als „Ariseur“ angegeben. Landeszunftmeister der Färber war Anfang 1938 der Ruderer und Radfahrer Richard Kühn. In der Verhandlung 1945 führt dessen Tochter die unterlassene „Arisierung“ des „jüdischen Putzereibetriebes Smetana“ als Beweis für die menschliche Haltung ihres Vaters an. „Das Geschäft Smetana war in der Landstraße. Der Papa hätte das Geschäft als Übernahmsstelle brauchen können, weil wir ziemlich außerhalb der Stadt waren und die Kunden nicht gerne so weit hinausgegangen sind.“15

Ansichtskarte Rudolf  Wasservogels
an seine Tochter Marion im Jahr 1938

Rudolf Wasservogel schreibt im Mai 193816 auf einer Ansichtskarte, die Krems im Flaggenschmuck zeigt, an seine Tochter, die zu diesem Zeitpunkt in Palästina lebt: „Ein kleiner Ausschnitt von hier. Heute ist die Beflaggung ein Zehnfaches dessen wie dieses Bild. Am 15. d. M. erwarte ich einen Käufer aus Wien. Was er bietet ist nicht viel. Es kommt alles auf das Glück an.“17 Das erhoffte Glück hatte Rudolf Wasservogel allerdings nicht. Im Juni 1938 wurde er verhaftet: „Da er im dringenden Verdacht der fahrlässigen Krida steht“, wie die „Land-Zeitung“ meldete.` Wie er im März 1938 und in der Haft behandelt wurde, darüber hat Rudolf Wasservogel – laut Angaben seiner Tochter – nie gesprochen: „Mein Vater wäre der letzte gewesen, der etwas erzählt hätte, wenn er was machen hätte müssen, das seine Ehre heruntergesetzt hätte oder gedemütigt hätte.“19 Wo die Nationalsozialisten vor dem März 1938 überall ihre Informanten sitzen hatten und wieweit zurückliegend die Informationen waren, die nun herangezogen wurden, um gegen Personen vorzugehen, geht aus der Geschichte über ein Telefonat eines Korrespondenten der „Neuen Freien Presse“ aus dem Geschäft Rudolf Wasservogels hervor, das dieser 1933 nach dem Bombenattentat der NSDAP auf christlich-deutsche Turner in Krems geführt hatte: „Am 20. Juni hat meine Mutter Geburtstag gehabt. Am Tag vorher oder in der Nacht ist ein Attentat von den Nazis gewesen. Das war das Jahr, wo ich in Wien studiert habe und da hatte ich einen Bekannten gehabt, einen Journalisten, er hieß Egon Pisk und war bei der ‚Neuen Freien Presse‘. Er wußte, ich bin aus Krems und so kam er zu meinem Vater ins Geschäft und hat gefragt, ob er das Telefon benützen darf. Vielleicht war bei der Post so ein Andrang. Der Papa hat gesagt, ja warum nicht. Das haben mir meine Eltern erzählt. Im Jahre 1938, fünf Jahre nachher hat man gewußt, daß aus dem Geschäft das Telefongespräch mit der `Neuen Freien Presse’geführt wurde und meinem Vater das auch vorgehalten“.20

Rudolf Wasservogel 1935 in Krems

Anmerkungen
1 Johann Zinterhof, Möbelfabrikant, Reindorfgasse 15, 1150 Wien. Der Firmensitz von Johann Zinterhof ist mit Wien XII, Sonnergasse 6 angegeben
2 Vg 4a Vr 2650/45 gegen Felix Wolf. Zeugenvemehmung von Johann Zinterhof vom 13.9.1946
3 Ebd. Niederschrift aufgenommen mit Karl Frank am 12.6.1946
4 Land-Zeitung. 30.11.1938 5 Siehe Anm. 2. Niederschrift aufgenommen mit Eduard Eimer am 18.6.1946
6 Ebd.
7 Johann Kohn. Interview am 19.6.1985
8 Kremser Zeitung. 10.8.1939
9 EIfy Strauss. Brief an den Verfasser vom 28.10.1987
10 Land-Zeitung. 30.3.1938
11 AVA. Bürckel-Bestand. Arisierung 2160/00 Bd.II. K 73 0 144. Schreiben des Reichskommissars an die Vermögensverkehrsstelle z.Hd. Pg. Mauritz vom 29.9.1938
12 Ebd.
13 Ebd. Arisierungsansuchen vom 25.7.1938
14 Krems, Obere Landstraße 36
15 Vg lb Vr 953/45 gegen Richard Kühn. Gertrude Kreisl in der Hauptverhandlung
16 Privat. Miriam Karpfen. Tel Aviv (Israel). Da sich die Eltern Wasservogel auf der Karte für die Briefe vom 1. und 5. April bedanken, ist der 10. Mai 1938 als Tag, an dem die Karte geschrieben wurde, denkbar.(Das Datum des Poststempels ist nicht eindeutig zu erkennen)
17 Ebd.
18 Land-Zeitung. 29.6.1938
19 Miriam Karpfen. Interview am 15.6.1987
20 Ebd.

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