Peter B. Neubauer Erinnerungen 1 (Transkript)

New York, 7.06.1988

geführt von Robert STREIBEL

N.: Es war ganz Interessant. Ich habe ihn getroffen und ihn sehr gerne gehabt als Lehrer. Er war jung und war der Sohn des Friseurs in Krems. Er war ein sehr guter Lehrer. Es sind einige Sachen die für mich wichtig waren. Eines war, er hat vorgelesen „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque Er war sehr begeistert über dieses Buch. Er hat es vorgelesen, 2 oder 3 Mal, und plötzlich hat er aufgehört. Er ist den nächsten Tagen zurückgekommen und hat zu uns gesagt:“ Natürlich ist ja alles was dieser Mensch schreibt nicht richtig. Er ist nicht ein nationaler Mensch, der gegen den Krieg ist und das alles persönlich schreibt. Es ist ja manchesmal notwendig das man Krieg hat.“ Als ich ihn getroffen habe, da habe ich ihm gesagt:“ Was war da los?“ Da sagte er:“ Ja, da sind die Nazis gekommen und haben gesagt. Wenn ich damit nicht aufhöre werde ich verprügelt!“

F.: In welcher Klasse ist das eigentlich gewesen?

N.: Das muss gewesen sein mit 15 oder 16, also in der 5. oder 6. Klasse. Ich sagte ihm dann:“ Ich war im Theater, der Raul Aslan hat da vorgelesen. Das Theater in Krems war leer. Es waren vielleicht 10 Leute“. Am nächsten Tag in der Stunde haben sie zur Klasse gesagt:“ Ja ihr Deutschen kommt nicht in das Theater um euch anzuhören was da los ist. Der Jude Neubauer war dort.“ So haben sie das gesagt. Er sagte nur: „Ja ich habe das nicht so gemeint.“ Ich sagte dann:“ Ich habe über Hamlet einen Bericht geschrieben, der war wahrscheinlich gut genug das sie ihn vorgelesen haben.“ Was hat den der Neubauer dafür bekommen wurde ich gefragt. „Er hat ein „Gut“ bekommen.“ Dann frage ein Student“: Warum nur ein Gut?“ Da haben sie gesagt:“ Deutsch ist ja nicht seine Muttersprache!“ Das hat mich sehr verwirrt, denn ich habe nicht gewusst, was meine Muttersprache war, wenn es nicht Deutsch ist. Er sagte nur:“ Er könne sich daran überhaupt nicht erinnern“. Ich war doch immer katholisch und niemals antijüdisch. Ich war nicht antijüdisch, aber doch etwas was man sagen kann. Das war der Zeitgeist. Sie haben es getan! Er sagte:“ Er ist RotarieF jetzt und sehr froh das sie mich jetzt besucht haben und ich konnte ja nicht Direktor der Realschule werden, weil ich diese Vergangenheit habe. Weil ich mich da ein bisschen angepasst habe.“ Aber die diese Sachen die man damals so geredet hat, damals das hat nicht viel bedeutet, aber es war ein Teil davon.

F.: Wann haben sie den Lehrer das letzte Mal besucht?

N.: Vielleicht vor 15 Jahren. Er war ein netter Mensch und ein guter Lehrer. F.: Haben sie Krems schon öfters besucht?

N.: Ich war 2 Mal dort. Ich war in Dürnstein. Es ist für mich sehr schwer zurück zu gehen, denn ich laufe durch die Straßen und sehe die alten Geschäfte und das Haus, in dem ich gewohnt habe und ich sehe den Tempel, alles leer. Natürlich hat man so viele Gefühle von der Vergangenheit. Es gehört doch zu meinem eigenen Leben und es war ein Teil meines Lebens. Es war nicht nur negativ für mich, sondern auch positiv für mich. Das nur die schlechten Erinnerung Vorrang hat, ist es nicht. Ich möchte immer wieder zurück und doch bin ich ängstlich dieses wieder zu erleben. Die Erinnerungen sind so verwirrt.

F.: Es ist interessant, denn fast mit den gleichen Worten haben mir das eine Reihe von anderen dieses Verhältnis zu Krems geschildert. Der Hardy Nemschitz zum Beispiel hat gesagt:“ Er hat sich immer wieder vorgestellt, dass er durch die Stadt geht und wie er das Erste Mal durchging wollte er schon wieder weg sein.“ Er hat es nicht ausgehalten. Es war auch jetzt das Erste Mal dass er länger dort geblieben ist und wir haben uns auch mehr angeschaut. Wo sein Großvater ins Kaffeehaus gegangen ist und solche Kleinigkeiten. Er ist sonst nie über Nacht geblieben.

N.: Natürlich hat jeder der berichtet ˆ ohne besondere Vergangenheit. Wenn man zurück geht wo, wo die Kindheit war, ist alles plötzlich sehr klein. Was eine große Straße war wie z.B. die Dienstelstraße, wo ich war. Vom Bahnhof zur Dienstelstraße da hat man so viel gespielt und jetzt ist alles ganz klein. Alles ist natürlich ganz anders und das ist auch etwas was man durchleben muss um sich da wieder anzupassen. An die Erinnerung des Kindes wo jeder Baum wichtig war usw. Ich war zuerst im sozialdemokratischen Jugendbund, dann haben wir den zionistischen Jugendbund gegründet. Mit den Sozialisten habe ich mich Nahe gefühlt, nicht nur weil mein Bruder da aktiv war. Aber ich habe mich immer als Sozialist anerkannt, denn ein Zionist ist ein sozial. Zionist. Meine Schwester ist in einem sozial. Kibbuz. Das war von der Vergangenheit wo man als Jude nicht christlich ˆ sozial sein konnte. Es war ja gar keine Wahl. Natürlich war das nicht nur so, denn später vom ideologischen Grund haben wir gedacht, eine neue Welt wird da geschaffen. In dem der Mann frei sein wird und es keinen Antisemitismus geben wird. Es war für uns sehr wichtig, besonders als wir dann in Wien waren.

F.: Was sind eigentlich die ersten Erinnerungen an Krems, als Kind?

N.: Die ersten Erinnerungen an Krems? Ich denke an die Au, weil wir dort von klein an her umgelaufen sind. Im Winter war das wunderbar, wenn die Donau zu war. Das Badener Tor war sehr interessant. Hinauf auf den Kreuzberg zu gehen. In den Wald zu gehen, um Heidelbeeren zu pflücken. Die Freiheit die ich hatte als kleines Kind in der Stadt. Es war wunderbar und auch die Freunde. Denn Krems als Stadt, die mich beeindruckt hat, weil ich so klein war. Es war eine Kleinstadt. Wenn ich dann nach Wien gefahren bin um die Eltern, meine Mutter zu besuchen, das hat mich sehr interessiert. Ich habe einmal einen Bericht, einen Aufsatz geschrieben, dass ich nach Wien gegangen bin und dort war alles sehr schön und dann dachte ich mir ´Krems ist überhaupt nichts. Man ist ein eingeschlossen und alles ist ein bisschen blödsinnig und da ist die Freiheit und da kann mich sich bewegen. Der Lehrer hat die anderen Lehrer zusammen gerufen und hat gesagt:“ Wir haben da ein Problem.“ Es wurde mein Vater gerufen und er wurde gefragt:“ Was haben Sie für Kinder? Der möchte weg und überhaupt nicht in Krems sein. Das ist ja entsetzlich.“ Mein Vater sagte nur: „Es ist keine Phantasie. Es ist ja nicht wirklich. Er gab mir dann keine Note, aber ich musste einen neuen Bericht schreiben. Unglaublich, wenn ich daran zurückdenke. Trotzdem haben wir uns dann unsere eigene Gesellschaft gebaut. Die zionistische Vereinigung. Wir haben ein Heim gehabt, wo wir uns getroffen haben. Wir sind mit den anderen zionistischen Jugendlichen auf Lager von Wien gegangen. Die Trennung hat dann stattgefunden.

F.: Wann war der Beginn der zionistischen Jugendgruppe in Krems?

N.: Blau ˆ Weiß?

F.: Anfang der 20iger Jahre?

N.: Das war später. Ich war einmal der Führer. Ich erinnere mich an den Hardy. Andere Leute die von Wien nach Krems gekommen sind und dann wieder weg sind. Das war der Blau ˆ Weiß, eine bürgerliche Gruppe. Aber dann habe ich, dann doch eine andere Richtung gezogen, die sozialistische Gruppe. Da haben wir uns dann angeschlossen und haben dann zwei Sommer in deren Lager den Sommer verbracht.

F.: Die roten Falken oder die sozialistische Jugend?

N.: Das eine Gruppe die nicht nur sozialistisch war, aber die hat sich vorbereitet um nach Palästina zu gehen. Die hatten Lager wo man gearbeitet hat, um sich vorzubereiten.

F.: Wo haben diese Lager stattgefunden?

N.: Das war beim Wörthersee.

F.: In welchem Jahr war das?

N.: Das muss ungefähr zwischen 1928/29 gewesen sein. Da hatte ich dann Freunde gefunden, wenn ich nach Wien gefahren bin und die weiter behalten habe. Aber das Leben ˆ die katholischen Leute waren auch Antisemiten. Denn die sagten „Ihr Juden habt den Christus umgebracht!“ Ich weiß, dass die Kinder zu mir gekommen sind und sagten:“ Sage mal. Du bist doch ein Jude. Was hast du denn für Merkmale? Hast du denn ein Horn?“ Ich fragte dann:“ Siehst du das an?“ Ich habe Karl May gelesen. Die jüdischen Kinder werden da etwas anbrennen, damit man zeigen kann, dass man nicht schreit. Man muss sich so bewegen, wie die Indianer. Ich habe ihnen das erzählt und sie haben gehorcht. Das ist alles von der Religion gekommen.

F.: Wie alt waren sie da, wie die Kinder gekommen sind? Waren sie da in der Volksschule?

N.: 8 oder 9 Jahre.

F.: Haben Sie noch Erinnerungen an ihre Schulkollegen?

N.: Natürlich. Einen habe ich in Pöchlarn besucht. Er war ein Kunsthändler in Krems. Er hat mir alles erzählt, über seine Kriegserfahrungen und hat mir gezeigt, dass er gar nicht dabei sein wollte. Konnte aber nichts dafür tun und hat mir die Bilder gezeigt und hat gesagt:“ Ich wollte ja immer weglaufen und siehst du, da war ich doch.“ Ich glaubte er sagte das nur so, weil er nicht wissen wollte, dass ich nicht dazu komme und er wollte zeigen, dass er kein Nazi war. Er war seht gescheit und immer interessiert an Kunst sogar mit 12 Jahren. Ich glaube der Vater war im Museum und hatte wunderbare Stücke gehabt. Ja er hieß Plöckinger. Kennen Sie den Namen?

F.: J der ist mir ein Begriff.

N.: Der Vater war im Museum.

F.: Ich kann mir schon vorstellen, warum der Sohn das so betont hat. Denn sein Vater war ein 100%iger Nazi. Der hat gegen Ende des Krieges noch in der Lokalzeitung Artikelserien geschrieben und zwar quasi: Der Krieg unsere Heimat ˆa also das es immer schon eine Geschichte war das der Krieg in unsere Heimat gekommen ist, in die Stadt. Der hat nichts mehr andres zu tun gehabt als solche Artikel zu schreiben. Der ist aus der Kirche ausgetreten und ist dann wieder zurückgekehrt.

N.: Ich habe mich gewundert. Ich habe das Gefühl gehabt ich bin nicht ein anderer Jude, aber Jude, Jude weil er doch das hat und trotzdemΣ.

F.: Das war schon ein älterer Lehrer?

N.: Ja. Die anderen waren auch nett. Ich habe immer Gedichte aufgesagt und ich kann mich erinnern, auch mit dem Hörl. Wenn er fragte:“ Will wer ein Gedicht aufsagten?“ So sagte ich immer:“ Ja.“ Ich sagte: „Ich werde ein Gedicht aufsagen und zwar „Morgenstern“.“ Da haben alle angefangen zu lachen. Da sagte er dann: „Er war ja kein Jude, warum lacht ihr denn? Der Christian Morgenstern ˆ er war kein Jude!“

F.: Hat man dann eine besondere Note bekommen, wenn man ein Gedicht aufgesagt hat?

N.: Nein, das hat man nur so getan. Weil er ein interessanter Lehrer war. Einmal habe ich zur seiner Bewunderung und vor der Klasse gesagt:“ Ich werde wieder Christian Morgenstern machen.“ Und er sagte:“ Ja schön.“ Und ich sagte:“ Ich, Du, Er, Sie, Wir, Ihr, Sie. ˆ Das war das ganze Gedicht.“ Die haben natürlich alle gelacht und haben gesagt:“ Es sei nur Blödsinn.“

F.: Wie war ihr Verhältnis zu den Schulkollegen in der Realschule dann?

N.: Das war sehr schwierig. Da waren ungefähr 30 Studenten. Mit einigen war ich befreundet. Mit anderen haben wir uns nicht befreundet, aber respektiert. Da war eine andere Gruppe, die Nazis geworden sind. Das waren entweder die, die hungrig geworden sind für eine Ideologie oder es waren Kinder mit großen Schwierigkeiten. Die sind Nazis geworden. Die schlecht in der Schule waren oder Lernschwierigkeiten gehabt haben, das war die Gruppe. Wenn man mich heute fragt:“ Wer ist Antisemitisch geworden?“ So würde ich sagen:“ Da drei Gruppen. Die zweite Gruppe sind Mitläufer geworden ohne, dass sie das selber getan hätten und die anderen hätten sicher, wenn sie konnten dagegen gestellt.“ So ist es schwierig für mich eine Stellung zu finden.

F.: Und hat man Sie jemals in der Schulklasse respektiert oder hat es darüber hinaus noch Vorfälle gegeben, wo die Leute nicht mehr gelacht hätten oder die Studenten, wo doch Feindseligkeiten gespürt wurde.

N.: Das war auch, aber es man hat es nicht nur gespürt sondern auch getan. Ich kann mich erinnern, wir sind einmal auf einen Ausflug gegangen und waren da im Wald und plötzlich hat jemand mit einem großen Stein nach mir geworfen und ich habe angefangen zu bluten. Der Lehrer hat nichts gesagt, aber ich weiß es. Es war einer der ist seitdem Nazi. Der hat ja wirklich eine Wut auf mich gehabt und wollte, den anderen zeigen was er tun kann. Oder einmal ˆ Jemand wurde aufgerufen die Tafel zu säubern. Da hat er den Schwamm genommen und hat ein großes Hakenkreuz gemacht. Da bin ich aufgesprungen und habe zum Lehrer gesagt: „Sehen Sie sich das an.“ Und habe mich wieder hingesetzt. Er hat natürlich überhaupt nichts gesagt. Da waren auch Angriffe da.

F.: Hat es irgendwie Verbündete gegeben mit Schülern, die jetzt Ihnen auch ideologisch damals sympathisiert haben?

N.: Freunde waren da, aber nicht die sympathisiert haben ˆ niemanden.

F.: Also hat es niemanden gegeben der sozialistisch war.

N.: Nein! Sogar meine Freunde, der Petza. Sein Vater war Professor im Gymnasium, der war ein Freund von mir. Oder der Plöcklinger mit dem ich sehr gut war. Die würden nie etwas gesagt haben.

F.: Hat es Lehrer gegeben die betont Antisemitisch gewesen sind?

N.: Ja. Der Chemieprofessor. Ich weiß nicht wie der geheißen hat. Der war offensichtlich ein Nazi. Dann war ein Lehrer, der sehr katholisch und religiös war, und der hat mir immer religiöse Bücher zum lesen gegeben.

F.: Haben Sie die gelesen?

N.: Ja. Über die wissenschaftliche Erforschung des Tatsein von Jesu usw. In der Matura in Englisch habe ich über ???? geschrieben, den Engländer. Das hat er so wollen und hat mich sehr gern gehabt.

F.: Welches Fach hat er unterrichtet?

N.: Englisch.

F.: War das der Holzer?

N.: Ja, der Holzer. Der war katholisch.

F.: Haben Sie da auch, dass er gelegentlichΣ N.: Haben Sie den gekannt?

F.: Nein. Ich kenne all diese Leute nur aus Erzählungen.

N.: Der Professor in Physik war sehr nett.

F.: Hat das der Holzer bei Ihnen auch schon gemacht, dass er plötzlich im Stoff abgebrochen hat und irgend welche religiöse Sachen vorgetragen hat?

N.: Nein.

F.: Nicht zusammenhängend mit dem was er unterrichten sollte.

N.: Nein, das hat er nicht getan. Aber ich habe gewusst von den Büchern, die er mir geliehen hatte, wie religiös er war und er war nicht antisemitisch.

F.: Mir hat nämlich der Robert Kohn erzählt, dass er anfangs sehr antisemitisch eingestellt gewesen ist. Wie er dann aber Schüler bekommen hat die Juden waren, dass er sich geändert hätte. Das hat er mir erklärt.

N.: Das habe ich nie erfahren. Er war immer sehr nett zu mir und hat mir sogar das Gefühl gegeben, dass er mich vorgezogen hatte. Denn er hat niemand anderem Bücher geschenkt.

F.: Das war schon mit dem Hintergedanken sie zu bekehren.

N.: Anzunehmen.

F.: Der Chemieprofessor war ein Besonderer?

N.: Ja, der war nett. Der Turnprofessor war antisemitisch ˆ der Sailer. Besonders antisemitisch war der Zeichenlehrer Lude.

F.: Wie hat sich das geäußert?

N.: Er hat mich angebrüllt. Er hat mich Kohnjude genannt.

F.: Bei welche Gelegenheit? Was haben Sie falsch gemacht?

N.: Überhaupt nichts. Er ist plötzlich gekommen und hat mich angebrüllt. Sogar in der Zwischenzeit in der Hallte hat er mich weiter angebrüllt, ´Du Kohnjude! Du Kohnjude!´ Dann hat er sich wieder beruhigt und hat nichts gesagt. Dann hat er mich Altbauer anstelle von Neubauer genannt. Es war entsetzlich.

F.: Wie alt waren Sie da?

N.: 12 Jahre.

F.: Also am Beginn der Realschule. In ihrer Klasse hat es sonst keinen Juden gegeben, aber in den Klassen unter oder ober Ihnen waren da noch ˆ der Ausspitz oder so?

N.: Nein, über mir war der Robert Kohn und der Karpfen. Die waren in einer Klasse. Nein, die waren zwei Klassen früher. Dann war mein Bruder und dann war ich. Mit mir waren dann ein oder zwei Jahre der Billy Glas. Der ist dann weggegangen.

F.: Und der Turnlehrer, wie hat sich der und wie hat sich das geäußert?

N.: Z.B. würde er sagen. Wir sind in einer Reihe gestanden:“ Was ist da los mit deiner Hühnerbrust?“ Ich bin so gestanden und er sagte dann, ich habe eine Hühnerbrust. Was er wirklich gern gehabt hat, das Vaterland und das Nationale. Die haben sich zur der Zeit, dann nicht recht ausgedrückt. Aber indirekt habe ich das gewusst.

F.: Symbolisch?

N.: Ja, symbolisch. Es war nicht so symbolisch, wenn der Hörl gesagt hat:“ Es ist nicht seine Muttersprache.“

F.: Das war dann nicht mehr symbolisch, das war dann schon sehr direkt.

N.: Ich habe dann nachgedacht, was meine Muttersprache ist? Meine Mutter spricht deutsch, mein Vater spricht deutsch.

F.: Ist es Ihnen da schon in der Volksschule oder im Kindergarten zu Bewusstsein gebracht worden, dass sie eigentlich nicht dazu gehören?

N.: Ich glaube, als ich 6 Jahre war, habe ich das erste Mal gehört, dass man über Nazi gesprochen hat. Ich kann mich erinnern, wo ich im Hof gestanden bin und da hat man gesagt:“ Naja die Nazis hassen ja die Juden!“ Das war das erste Mal, dass ich erfahren habe, dass man Juden hasst, weil man Jude ist.

F.: Also im Umgang haben Sie nichts gespürt, dass sie Kinder nicht mit Ihnen spielen durften oder so irgendwie?

N.: Doch, aber ich weiß nicht mehr wie viel im Allgemeinen. Ich habe immer gekämpft mit Kindern und sie haben mit mir gekämpft. Wir haben Steine aufeinander geworfen und haben all diese Sachen gemacht. Wie weit dies antisemitisch war oder so, dass kann ich heute nicht sagen. Aber mir war immer bewusst, es gibt Leute hier die gegen mich sind, weil ich das bin was ich bin. Das wichtigste war, dass ich das sozialistische und dann das zionistische was sehr hilfreich. Ich habe nicht gesagt, ich bin schon da und da kann mich nichts machen.