5. Robert Streibel: Nachwort

Robert Streibel: Nachwort
Ich lernte Anna Lambert durch einen Brief kennen, es war eine Antwort auf ein Rundschreiben an alle vertriebenen Kremser Juden. Ihre Antwort war mit Maschine geschrieben, ihre Unterschrift zittrig. Nicht ganz eine Seite hatte sie sich abgerungen, denn die Hand wolle nicht mehr so richtig und die Schreibmaschine hätte sie auch schon lange nicht mehr bedient, merkte sie an. Ein Kampf für eine Seite. Doch zwischen den Zeilen Humor und ein starker Wille, sich doch nicht von den Nebenerscheinungen des Alters unterkriegen zu lassen. weiterlesen

4. Bilder

Bilder


Anna im Alter von einem Jahr


Die vier „Kohns“ 1919
1. Reihe, v.l.n.r. Richard und Johann
2. Reihe Anna und Rosi weiterlesen

3. Die Mühen der Ebene

Die Mühen der Ebene
Als der Krieg ausbrach, war ich von dem brennender Wunsch beseelt, etwas zum Sieg beitragen zu können. Ich hatte nicht den geringsten Zweifel, dass England siegreich sein würde, und wie viele andere dachte ich, der Krieg würde binnen Jahresfrist zu Ende sein. Was für eine unschuldige Naivität! Ich sah mich selbst schon als große Heldin. Ich schrieb dem Home Office, dem Innenministerium, und bot mich für einen Einsatz hinter den feindlicher Linien, als Spionin, an. Etwa in Österreich, meinem Geburtsland. Um den Nazis ein Schnippchen zu schlagen und den Krieg für England zu gewinnen! weiterlesen

2. Der verlorene Lebenstraum

Der verlorene Lebenstraum
Wir hatten unser Leben fest im Griff, und alles ging seinen geordneten Lauf. Doch am Horizont zogen Gewitterwolken auf, die nicht nur mich persönlich bedrohten, sondern die ganze Welt. Der Nationalsozialismus hatte sein zweigesichtiges monströses Haupt erhoben und spie giftiges Feuer über Europa. Es brachte auch meine kleine Seifenblase zum platzen. weiterlesen

1. Die verlorene Kindheit: Zwischen Vater und Krieg

Die verlorene Kindheit: Zwischen Vater und Krieg
Bis an mein Lebensende trage ich die Erinnerung an das erste Weihnachtsfest in mir, das ich bewusst erlebt habe. Es war vor dem Ersten Weltkrieg und ich ging damals noch nicht zur Schule. Mir schien alles von einer Glückseligkeit erfüllt, wie ich sie später nie wieder erlebte, als ich gelernt hatte, dass man im Leben nicht nur auf Rosen gebettet ist. Ich erinnere mich an einen Raum mit zugezogenen Vorhängen und dunkel glänzenden Möbeln. Der Raum strahlte trotz seiner hohen Decke Wärme und Geborgenheit aus. Zwischen den Fenstern stand ein riesiges Klavier, das ich irgendwie nicht leiden konnte. Es war teilweise mit einer Samt- oder Plüschdecke bedeckt, die es wohl vor der Sonne schützen sollte. An der dem Eingang gegenüberliegenden Wand stand der große, herrliche Christbaum, mit brennenden bunten Kerzen an den Zweigen und Keksen in verschiedenen Formen, die zwischen dem Lametta baumelten. Dieses prachtvolle, glitzernde Ding hatte das „Christkind“ gebracht, das ich mir als Engel im Mousselinekleid vorstellte. weiterlesen

Buch Anna Lambert: Du kannst vor nichts davonlaufen

Anna Lambert: Du kannst vor nichts davonlaufen
Erinnerungen einer auf sich selbst gestellten Frau
Internetfassung des von Robert Streibel herausgegebenen Buches Du kannst vor nichts davonlaufen – Erinnerungen einer auf sich selbst gestellten Frau, erschienen 1992 im Picus Verlag Wien, 188 Seiten
1.  Die verlorene Kindheit: Zwischen Vater und Krieg
2. Der verlorene Lebenstraum
3. Die Mühen der Ebene
4. Bilder
5. Robert Streibel: Nachwort 
6.  Spurensicherung

32. Tagebuch einer Flucht

Tagebuch einer Flucht
„Vier Wochen mit kaum einer Möglichkeiten sich zu waschen, und von Hygiene keine Rede. Nach einigen Tagen gab’s kein Brot mehr, nur steinharten Schiffszwieback, der in Tee oder Suppe eingeweicht werden mußte, da man sich sonst den Kiefer zerschnitt. Wenn bewegte See war, blieb vom Tee oder der Suppe nicht viel übrig, auf dem Weg von der Verteilung bis zum Platz und zum Essen. Ich aß so viele Sardinen in diesen Wochen, daß ich für lange Jahre unfähig war, Sardinen zu essen.“

Abraham Nemschitz

Ausschiffung vor der Küste von Palästina

7. Vom theoretischen zum praktischen Antisemitismus

Vom theoretischen zum praktischen Antisemitismus
Welche Maßnahmen ergriffen die politisch Verantwortlichen in Krems nach dem 12. März 1938 gegen die Juden? Wie wurden jene Verordnungen und Gesetze, die in nur wenigen Monaten auf die Juden niederprasselten,‘ im lokalen Rahmen umgesetzt? Die Materiallage für den lokalen Bereich ist mehr als dürftig. So kann hier vorerst nur auf einen Runderlaß an alle „Herren Bezirkshauptmänner in Niederdonau“ vom 2.9.1938 hingewiesen werden, in dem diese angehalten werden, gemäß des Runderlasses des Reichsministeriums des Innemen vom 27. Juli 1938 die Umbenennung sämtlicher nach Juden und jüdischen Mischlingen 1. Grades benannten Straßen oder Straßenteilen in den österreichischen Gemeinden bis spätestens 20. September bekanntzugeben, wobei darauf hingewiesen wird, die Frist „unbedingt strengstens einzuhalten“.2 Der Bezirkshauptmann von Krems, Leopold Gawanda, erstattete am 17. Oktober 1938 in dieser Angelegenheit einen Fehlbericht, was soviel heißen sollte, daß in Krems keinerlei Straßen oder Plätze nach Juden benannt waren. Ungeklärt bleibt die Frage, ob die Judengasse, ein kleines Gäßchen zwischen Täglichem Markt und Landstraße, zu diesem Zeitpunkt noch diesen Namen trug. Gedanken über diese Gasse machte sich einige Wochen davor auch der Redakteur, der unter dem Pseudonym „Till Eulenspiegel“ in der „Kremser Zeitung“ schrieb. „In Krems hat es übrigens kürzlich jemand befremdlich gefunden, daß wir noch eine ‚Judengasse‘

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5. Das Leben der Juden von Krems

Das Leben der Juden von Krems
Für Karl Emil Franzos, der in seinem Buch „Die Juden von Barnow“ die Geschichten der Juden eines fiktiven Landstädtchens gezeichnet hat, ist die Tradition der Juden mit einem tief ins Gesicht gezogenen Hut zu vergleichen, der dem Träger die Sicht auf die Realität nimmt. Bei den Juden von Krems war der Hut zwar noch ein beliebtes Kleidungsstück, bei manchen gehörte er zur täglichen Ausstattung, mit der Tradition, der Einhaltung der Sitten und Gebräuche nahmen es aber die wenigsten genau. Es war die Generation der um die Mitte des vorigen Jahrhunderts geborenen Juden, die ohne die Sitten nicht leben wollten. Abraham Nemschitz beschreibt seinen Grossvater Jakob Sachs: „Er war zwar nicht unsinnig fromm, aber man kann schon sagen traditionell eingestellt, und er ging immer zu den Gottesdiensten.“1 weiterlesen

37. Anhang

ANHANG

Jüdische Gewerbebetriebe im Bezirk Krems im Jahr 1938

Krems Stadt

Otto ADLER
Gemischtwarenhandel, Erzeugung von Stilmöbeln
Hohensteinstraße 14
Dinstlstraße 8

Otto AUSPITZ
Handel mit Holz, Kohle
Körnermarkt 7 weiterlesen