Allerliebster Pa, …

Brief von Ruth Neubauer aus Palästina an ihren Vater in Krems im September 1938

Transkription des handschriftlichen Briefes

Allerliebster Pa,
Deinen l. Brief erhielt ich u. bin sehr erstaunt über Deinen plötzlichen Entschluss in die Tschechei zu gehen. Doch es ist schwer darüber zu schreiben denn ich weder Grund und ?? etwas davon weiß. Aber die große Frage für Dich wie für uns ist ˆ Und was dort? Du musst doch von etwas leben u. essen? Es ist so ˆ dass Du nach Erez kommst ist klar u. auch auf irgend eine Weise Einreisebewilligung bekommen wirst ˆ nur ist dies eine Zeitfrage. Bis Oktober ist jegliche Einreise verboten. Du musst eines wissen, das ich wegen Deines Herkommens alles tun werde u. auch Sig. Deine Anforderung habe ich schon lange ans je. Konsulat gegeben.

Wegen Sachen die Du mir schicken willst brauchst du mir nicht zu schicken ˆ denn ich habe hier im Kibbuz keine Verwendung dafür. Auch das Tante Frieda herkommt ist schon. Sig schrieb mir das <Wollter>? im Konzentrationslager ist.

Von hier ist wenig zu berichten. Die Lage ist unverändert. Jeden Tag neue Tote oder Verwundete wir kommen man allmählich darüber hinweg.

Landschaftlich wird es immer schöner. Früh und Abends wird es schon kühler u. dann fühlt man sich doppelt so wohl. Unsere .. hat sich einstweilen auch in die Länge gezogen. Zum Teil auch Sicherheitsgründen u. auch weil noch nicht genug Geld da war u. es noch nicht 100% sicher ist ob wo Sie wir unseren Boden erhalten. Es gibt ungeheuer viel Schwierigkeiten bis man so weit ist.

Bei Frau Schwarz war ich schon lange nicht doch schreiben wir uns oft ˆ Sie hat ziemlich viel Sorgen. 1.) hat sie Gäste Du musst wissen in der heutigen Zeit die Leute froh ˆ ruhig u. sicher zu Hause sitzen zu können. 2) Weiss Sie nicht wie Ihren Mann helfen zu können.

Sig bekam einen Brief von Fritzi Karpfen aus England. Ich weiss nicht was sie macht u. wie es Ihr geht ˆ nur sieht man wie im Laufe einer kurzen Zeit die ganzen Bekannten in die Welt gestreut werden ˆ jeder wieder ein Fleckchen Erde suchend. Schwer ist für uns Juden das Leben von Anfang bis jetzt gewesen u. immer wieder mehr u. mehr muss man den Gedanken nachgehen u. anfangen aufzugeben ˆ nicht zum Entschluss ˆ weil Juden seit Jahrhunderten verfolgt werden ˆ müssen wir uns auflosen u. nur Menschen werden ohne < „Vor und Nachnahmen„>? Denn wenn wir ein bis Nachdenken hat all das <Unfreie verknüpfte>? nicht viel Sinn. Wir müssen ein kommenden freiere Menschen werden.

Bitte l. Pa wenn Du in der Tschechei bist schreib sofort. Und alles genau über Dich. Viele Küsse Deine Ruth

Pa, ich habe mich sehr gefreut, dass Du <Schnirul>? richtig einschätzt u auch, das Mädchen das machen können.