‚Ein guter Fußballer, leider ein Jud‘ Josef Nemschitz beim Kremser Sport-Club
Der Kremser Sport-Club wurde am 24. August 1919 gegründet. Der prominenteste Spieler der Frühzeit war Josef Nemschitz, der Kapitän der Mannschaft, der im Infanterieregiment Nr. 84 in Krems diente und bereits beim WAC (Wiener Athletic Club) gespielt hatte. Neben Nemschitz konnte noch der Fußballer Hickl auf Erfahrungen bei einem Wiener Klub, bei Rapid Wien, hinweisen. Diese beiden Spieler gründeten den "Kremser Rapid", die Dressen waren schwarz und rot, dementsprechend waren auch die Torstangen gestrichen. In der Chronik des Kremser Sport-Clubs heißt es zu diesem Vorstadium der Sport-Clubs: "Von einem Sport- und Fußballklub konnte noch nicht gesprochen werden. Es war eine ‚wilde‘ Gemeinschaft, in der jeder für die Ausrüstung und sonstigen Auslagen aufkommen mußte…‘ Während in der Chronik das erste Spiel des Sportclubs erst mit 10. August 1919 datiert ist, berichtet die "Land-Zeitung" bereits am 29. April vom ersten Fußball Provinzmeisterschaftsspiel des Krems-Steiner Sport-Clubs, das 1:1 ausgegangen ist. Im Kommentar zum Spiel wird der Tormann Zaruba und Nemschitz und Bauer als "glänzend" gelobt, den übrigen Spielern wird eifriges Training und Kombination empfohlen.2
Kremser Sport-Club 1919
Stehend (v.l.n.r.) Petermann, Dworschak, Schwarz,
Janusch, Krompas, Zeilner, Prof. Hauke, Kohlhofer,
Kirchhofer, Dr. Zaruba, Nemschitz, Reuböck, Pichler
sitzend (v.l.n.r.) O. Zaruba, Matouschek, Hackl
Das erste Spiel, das in der Chronik verzeichnet ist, gewann der Krems-Steiner SC mit einem beachtlichen 5:0 Sieg über Sturm 19 St. Pölten.
EHRUNG FÜR JOSEF NEMSCHITZ
Im Jahr 1920 stellte Josef Nemschitz eine Verbindung zum ehemaligen Stammverein WAC her. Am 1. Mai siegte der WAC mit 1:0, während beim Spiel der Reservemannschaften die Kremser klar mit 4:0 siegten. Im Oktober 1920 siegte der Krems-Steiner SC auswärts gegen St. Andrä-Wördern. "Heil den braven Elf! und unserem Nemschitz, der speziell zu dem Siege alles beitrug."3, schrieb die "Land-Zeitung". Besonders gelobt wurde das Duo Nemschitz, Frauenschild, das in der Abwehr wie eine Mauer gestanden sein soll. Beim Spiel am 14. November 1920 gegen Sturm 19 St. Pölten wurde Josef Nemschitz von einem Vertreter des Österreichischen Fußballbundes eine Anerkennungs-medaille zum 20jährigen Spielerjubiläum überreicht. Das letzte Spiel von Josef Nemschitz für den Krems-Steiner Sport-Clubs gewannen die Kremser gegen Zenta Wien mit 2:1. Der Grund für das Ausscheiden von Josef Nemschitz vom Krems-Steiner Sport-Club kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Seine Söhne führen dieses jedenfalls auf den Antisemitismus zurück. "Man hat ihn dann eigentlich hinausgeschmissen, weil er Jude war. Dann hat er noch bei Vorwärts gespielt."4
Ehrung für Josef Nemschitz in Krems
Fritz Nemschitz, der die Fußballeidenschaft von seinem Vater geerbt hat – vom Direktor der Realschule bekam er aufgrund mangelnder Leistungen Fußballplatzverbot – kann sich an eines der letzten Spiele des Vaters beim Sport-Club noch erinnern. "Man hat ihn angerempelt, er hat aber weitergespielt, aber ich habe angefangen zu weinen und war nicht mehr zu trösten, ich war damals vier, fünf Jahre."5
DER KREMSER SPORT-CLUB UNTER NATIONALER FÜHRUNG
Daß das Ende der sportlichen Karriere von Josef Nemschitz beim Kremser Sport-Club mit der politischen Ausrichtung des Vereines zusammenhängen dürfte, wird durch einen Akt der Bezirkshauptmannschaft Krems aus den Jahren 1936/1937 belegt, als es den Heeres-angehörigen verboten war, "im Kremser Sport-Club zu spielen, da der Verein sowohl nach seiner inneren, als auch nach seiner äußeren Struktur als nationalsozialistisch eingestellt angesehen (wurde)."6 Begründet wird das mit der Zusammensetzung des Vereinsvorstandes wie auch der Mannschaft. Neben dem Cafetier Gustav Ulrich, dessen Kaffeehaus der Treffpunkt der Nationalsozialisten war, waren im Sport-Club noch Otto Stolz7 und Johann Salize tätig. Das seinerzeitige Vorstandsmitglied Karl Baier war ebenfalls wegen illegaler Betätigung verhaftet worden. Bereits wegen nationalsozialistischer Betätigung mehrmals verurteilt waren die Vorstands- oder Mannschaftsmitglieder Johann Sedlmayer, Karl Staritzbichler und und Viktor Lieben. All diese Tatsachen werden für den Bezirkshauptmann noch bekräftigt durch die Tatsache, "daß der Verein seit seiner Gründung stets unter nationaler Führung stand und später mit dem Wachsen der nationalsozialistischen Partei ganz in nationalsozialistisches Fahrwasser geriet."8 Nach seiner Karriere als Fußballer war Josef Nemschitz Schiedsrichter und soll auch das Spiel Kremser Sport-Club gegen Uruguay im Jahr 1925 gepfiffen haben. Die Tätigkeit als Schiedsrichter übte Josef Nemschitz auch noch in Palästina aus, wie aus dem Tagebuch von Josef Nemschitz hervorgeht.
ANMERKUNGEN
1 Chronik des Kremser Sport-Clubs. Ohne Datum
2 Land-Zeitung. 29.4.1919
3 Land-Zeitung 7.10.1919
4 Fritz Nemschitz. Interview
5 Ebd.
6 NÖLA BH Krems XI/154/61/1938
7 Nach 1938 Kreispropagandaleiter von Krems
8 NÖLA BH Krems XI/154/61/1938. Bericht des Bezirkshauptmannes an die Sicherheitsdirektion vom 6.2.1937