Geschichte der Stadt Krems

von Dr. Anton Kerschbaumer,
erschienen 1894 in Krems

Textausschnitte aus diesem zum Teil antisemitischen Buch über die Juden in Krems

10. Kapitel
Treue und Opferwilligkeit der Stadt (Seite 26)

…In Folge dieses Friedensschlusses übernahm Herzog Leopold die Vormundschaft über den jungen Herzog und ließ es der Stadt Krems fühlen, dass sie frühernicht zu seinen Anhängern zählte. Er befahl nämlich, den derzeitigen Judenrichter Zebinger zu verhalten, dass er ohne Verziehen das Judengericht zu Krems dem Veit Bucher (einem Getreuen des Herzogs) abtrete und demselben alle „Renten und Gülten“, so er bisher von dem herzoglichen Gerichte daselbst eingenommen, wiedergebe. Eine Maßregel der Willkür, welche das verbriefte Stadtrecht verletzte. – Er forderte ferner bei Verlust seiner Schuld und Gnade die Stadt auf, den Jost Hofkirchner (einen berüchtigten Wegelagerer) ohne alle Irrung und Hindernise durch die Stadtz ziehen zu lassen, so dass es den Anschein bekam, als hätte der grollende Herzog es auf Krems abgesehen; der edle Friedrich von Walsee schrieb nämlich den Kremsern, er habe erfahren, dass man nach beiden Städten trachte und ihnen gar Schaden zuzöge; die Bürger sollten daher ihre Stadt desto trotz hüten und sich danach richten. – Weder Drohungen, noch schmeichelnde Zuschriften von Seite einflussreicher Personen vermochten die Stadt zu einer Schwenkung in ihrer Haltung zu bringen, die um so schwieriger war, als der Streit zwischen den Brüdern trotz des Friedensübertrages fortdauerte

Noch im Laufe des selben Jahres (26. April 1408) erließ Herzog Leopold von Krems aus eine Einladung an die Stände zur Vereinbarung mit seinem Bruder Ernst auf den 22. Mai zu Krems; beide Herzöge würden den Kongresort nicht eher verlassen, als bis der Streit vollständig geschlichtet sei. Die glänzende Versammlung von Adeligen, Prälaten, Herren und Rittern fand wirklich statt. Während der Friedensunterhandlungen hielt sich Herzog Leopold mit den Seinigen in Krems, Herzog Ernst seinen Anhängern aber in Stein auf. Am 2. Juni kam ein Ausgleich zu Stand, der joedoch ebensowenig fruchtete als 1409 der Ausspruch des Königs Sigmund von Ungarn, den beide Parteien zum Schiedsrichter erwählt hatten…

25. Kapitel
Die geistlichen Benesizien (Seite 199)

…St. Achatius. Zu einer Eingabe vom Jahre 1526 heißt es, dass diese Benesizium von einem Schlüsselamtmann zu König Rudolfs Zeit (circa 1280) gestiftet worden sei. Aus einem Aktenstück vom Jahre 1531 ist jedoch zu entnehmen, dass dieses Benesizium von den Landesfürsten verliehen wurde und dass das Lehenrecht über dasselbe auf Michael Büchler, Schlüsselamtmann in Kems, übergeganen sei. Die Benesiziaten hatten dasselbe nicht besessen, sondern wieder verlassen, wodurch das Stifthaus ganz baufällig geworden, die Presse daraus weggezogen, viel Grundbüchlgerechtigkeiten entzogen, die Weingärten abgeödet und die Fahrnisse verschleppt worden. 1543 hatte ein Bürger von Krems namens Raiger dieses Lehen in Pacht 1561 besaß es der Bürger Pichler, 1559 wurde es mit St. Katharinastift koadunirt und kam so an Hütstocker. 1626 kam Lehenschaft und Besitz (gleich dem Katharina-Stift an die Jesuiten. – Zu demselben gehörte schon 1350 ein Haus beim Judenrichter am Hohenmarkt, welches 1436 verkauft und dafür ein anderes gekauft wurde. 1579 verwendete man nun dieses Haus als protestantische Schule. Das Haus kam gleichfalls an die Jesuiten und wurde unter deren Häuser mit inbegriffen. Im Grundbuch vom Jahre 1610 steht die Bemerkung: „Soll (wie man sagt) zu St. Johannes- und St. Katharina-Stift inkorporirt sein. Deswegen man von diesem Stift Grunt oder Weingarten gar nicht wissen kann. Der alte Hütstöcker hat die Stifte und alle dazu gehören Gründe“. Nach einem Verzeichnis vom 10. Juli 1582 besaß da Achazistift ein Grundbüchl mit jährlichem Dienst von 3 Pfund 1 Schilling 4 Pfg., ferner 1 Joch Weingarten in Senftenberg. 1660 wurde das Benesizium der Pfarre inkorporirt…

28. Kapitel
Die Juden (Seiten 282-288)

Die Juden siedelten sich überall an, wo Knotenpunkte des Handels waren, wo große Menschenmassen zusammenkamen, wo Kauf und Tausch lebhaft betrieben wurde und vielfache Bedürfnisse zu Tage traten. Es darf daher nicht wundern, dass in Krems, wo die Donaustraße stets Fremde brauchte, wo vielbesuchte Jahrmärkte abgehalten wurden und ein reger Handel stattfand, sich Juden frühzeitig niederließen. 1255 erteilte Herzog Ottokar zu Krems den Juden ein Privilegium. Im Jahre 1347 erklärten sich Basel der Jud und Edjonel, seine Hausfrau als verpflichtet, für ein von ihnen gekauftes Haus am Burghof, gegenüber der Höllbadstube, dem Dechant 1 Pfund Pfennig und 4 Hühner Dienst zu entrichten. Zu dem ältesten Grundbuch der Pfarre vom Jahre 1360 sind die Gaben verzeichnet, welche die Juden am St. Michaelstage zu entrichten hatten, und zwar „de domo sita circa portam helltor, in der Kirchengassen, in dem Langenhof, in cottidiano foro, bei den Schupfen“.

Wir finden in Krems eine „Judengasse“, eine Art Ghetto, in der Richtung gegen die Donau gelegen, wo der Fremdenverkehr größeren Gewinn schaffte. Es gab einen eigenen Judenrichter, der nach alter Gewohnheit in Ungelegenheiten zwischen Christen und Juden eingriff, und stets ein Mitglied des Stadtrates war. In Krems hatten die Juden eine eigene Schule und Synagoge; ein Fremder, Rabi Israel, verfasste im 14. Jahrhundert mehrere talmudische Werke.

Zur Zeit der babenbergischen Herzöge erlangten die Juden mehrfache Begünstigungen. Zwar wurden sie nie eigentliche Mitglieder des Gemeinwesens, aber sie galten als Schutzverwandte und standen als sogenannte Kammerknechte unter dem unmittelbaren Schutz des Landesfürsten, wofür sie besondere Abgaben entrichten mussten. Zwei Umstände führten tiefe Begünstigungen herbei. Die Juden waren die eigentlichen Geldwechsler, d.h. sie besorgten den Austausch der verschiedenen Münzen gegen kursierende Landesmünzen, und sie waren die Geldvollstrecker (Banquier) für alle Stände vom Landesfürsten angefangen bis zum Bürger und Bauer herab. Namentlich steckten die Kaiser oft tief in Judenschulden und mussten zur Aufbringung der Zinsen ihre Einkünfte und die Steuern der Untertanen als Pfand versetzen. Jüdische Geldhändler übernahmen dann neben den Steuerbeamten des Landesherrn die Eintreibung der ihnen verfallenen Abgaben. So wurde der Geldhandel und mit ihm der Wucher fast ausschließliches Gewerbe der Juden, womit sie eine Macht erwarben im volkswirtschaftlichen Sinne, denn sie stellten den mächtigen Einfluss des Geldes dar. Fürsten, Städte und Geistliche wurden ihnen dienstbar.

Leicht begreiflich, dass ihr leichterworbener Reichtum einerseits, andererseits der Missbrauch der monopolisierten Befugnis und die mitunter vorkommende Härte gegen die Gläubiger, die Gemüter ihnen entfremdete und zu Zeiten völligen Judenhass erzeugte, der mit Judenverfolgungen endetet. Schon auf dem Provinzialkoncil zu Wien 1267 bezweckte ein Statut eine größere Beschränkung der Juden, und Herzog Albrecht II. verbot 1338 höhere Zinsen als wöchentlich 3 Pfennig zu nehmen. Allein auf den Fürstenschutz vertrauend maschierten die Juden sorglos fort, nicht beachtend, dass sie auf vulkanischem Boden lebten. ˆ Ein äußerer Anlass brachte erbitterte Leidenschaft des Volkes zum Ausbruch. Es wütete nämlich 1347 ˆ 1349 in Österreich eine schreckliche Pest, der schwarze Tod genannt. Das gemeine Volk beschuldigte die verhassten Juden der Brunnenvergiftung und es entstand eine allgemeine Judenverfolgung. Die schaudervollen Auftritte zu Krems schildert die alte Chronik von Leoben folgendermaßen: „Um St. Michaels Abend (also 28. September) hub sich der Bosel (Böbel, Menschenmasse) aus Stein und Krems und auch der Bosel ausserhalb der Städte aus den Dörfern, und kamen mit Gewalt gen Krems und griffen die Juden an gewaltiglich, und schlugen die Juden all zu Tod, und brachen ihre Häuser auf, und trugen aus alles das, das sie fanden; also dass sie ausbrachen eisne Tür und Gütter (Gitter) und Stangen aus den Fenstern. Da zundten die Juden sich selbst an und verbrunnen, und ihre Häuser verbrunnen, dass (mobei doch) nur ein Christenhaus verbrann. Aber die besten (reichsten, vornehmsten) Juden kamen auf die Burg (zu Krems) und genasen leider“ (kamen mit dem Leben davon). Herzog Albrecht bestrafte diese Gräuel strenge; er sandte seinen Hofmeister und Forstmei-ster zu dem Hauptmann oder Pfleger der landesfürstlichen Burg zu Krems, Herrn von Meissau, welcher die umliegenden Dörfer besetzte (Rohrendorf, Weinzierl, Straßing, Loiben), die Bewohner und auch Bürger von Krems in die Turmverließe von Rech-berg und Stein gefangen setzte, „darin mancher todt lag“ (starb); viele kauften sich los; auf den zwischen beiden Städten errichteten zwei Galgen wurden drei Arbeiter gehängt, „den Juden zur Besserung“ (Genugtuung). Die beiden Städte mussten 4000 Pfund zahlen.

Die erbitterte Stimmung gegen die Juden hatte in Krems seinen konfessionellen Beigeschmack; doch wurde ihnen der Aufenthalt zeitweise minder behaglich. So heißt es z. B. „Ezatel, Mustheims des Juden Witib, verkauft ihr Haus an dem Herzoghof, zunächst dem Fürstenzellerhof gelegen, an Simon den Makutler und Elsbeth seiner Hausfrau, und Hainzlein dem Schnechlein und Runigunden seiner Hausfrau“. Auch die Regierung nahm sich später der bedrängten Bürger an; denn Herzog Rudolph IV. verordnete, dass kein Bürger der Stadt, der einem Juden etwas schuldig ist, außer der Pfändung exekutiert werden könne; der Rat soll die Schuld schätzen, und wie er sie schätzt, also sollen es die Juden nehmen, 1 Bsg. Für 1 Bsg. Trotz Verfolgung blieben aber stets einige Juden in Krems. Im Jahre 1404 fällte der Widenrichter ein Urteil, betreffend den Juden Gmerzl, Herschleins Gohu (Bgl. Widengericht Rap. 40). Im Jahre 1416 werden die Juden Lameln und Endlein in Krems, und im Jahre 1417 der Juden Gmonler, Josephs Gun von Krems, die dem Herzog Albrecht III. Geld liehen, urkundlich erwähnt. ˆ An Reibungen zwischen Christen und Juden fehlte es nie. So stellte z. B. Lorenz Renbau von Wesendorf, der den Juden mit Schlägen gedroht und deshalb eingesperrt war, einen Rebers aus, sich an der Stadt nicht rächen zu wollen. Manche Juden ließen sich taufen, aber es war keine rechter Ernst dabei. So kommt im Jahre 1421 ein Revers eines getauften Juden vor, der wegen Rücktritt zur jüdischen Religion hier in Arrest gewesen. Das strengere Vorgehen der Regierung gegen die zahlreichen Juden in Österreich zur Zeit der husitischen Wirren war kein Ausbrauch fanatischen Kaffes, sondern hing mit den strengen Maßregeln gegen die husitischen Propaganda zusammen; überall waren nämlich die Juden mit den Husiten im Einverständnis und leisteten ihnen Borschub durch Zuführung von Lebensmitteln und Kriegsgeräte.

Die allgemeine Antipathie trat auf dem Auschlusslandtage zu Innsbruck 1518 an den Tag, wo die Deputirten folgende Beschwerde gegen die Juden erhoben: „Österreich sei meist privilegiert gewesen, dass kein Jude darin seßhaft sein darf, was der Kaiser in den Libellen von Köln und Augsburg auch anerkannt und befohlen habe, dass die Juden nicht über Jahresfrist im Lande bleiben dürfen. Dessen ungeachtet habe sich die Juden häuslich an mehreren Orten niedergelassen, wo sie gegen wuchermäßigen Zins Geld ausleihen und sich so benehmen, als ob sie zur Ansässigkeit berechtigt wären. Weil dies dem Lande unleidlich, so auch von Gott und von Natur aus als Feinde des christlichen Blutes bezeichnet sind, und dadurch die Meidung jeglicher Gemeinschaft mit ihnen angezeigt, es auch schwer vor Gott und der Welt zu beantworten sei, dass man die, welche man fast allenthalben ausgetrieben, hier im Lande hegen und haushalten lassen solle: so ergehe die Bitte der Stände um Ausweisung der Juden aus dem Lande“. ˆ Interessant ist die Resolution dieser Bitte, welche lautet: „Es sei nicht des Kaisers Meinung gewesen, die Juden gar in andere Länder zu vertreiben, denn sie sind ein Kammergut, weshalb er sie an einigen Orten geduldet. Dass die Juden im Lande seßhaft häuslich blieben, sei nicht seine Neigung, ausgenommen dem Hirschl Juden; weil man ihm viel schuldig ist, muss man mit ihm Patzienz haben.“

Ein Patent des Kaisers Ferdinand I. v. 30. Jän. 1544 verwies die Juden aus Österreich, und ein Patent vom 1. August 1551 befahl, dass die Juden an ihrem Obersleide auf der linken Seite der Brust einen gelben Ring von bestimmter Größe und gelbem Tuch als Kennzeichen bei Verlust ihrer Kleider und das 3. Mal bei Landesverweisung tragen sollen. ˆ Die Stadt forderte von jedem Juden in der Marstzeit zwei Taler. Als Kaiser Maximilian II. 1569 den Nachweis forderte, aus welcher Ursache die Kremser dies täten, antwortete der Stadtrat: „Es bestehe in Krems keine besondere Judenmaut, sondern dass jeder Jud in der Marstzeit dem Stadtrichter zwei Taler gebe; dieses Geld werde zur Besoldung der Gerichtsdiener und für Malefizen verwendet. Später erinnerte die Kammer den Stadtrat, dass der Kaiser den Juden den Besuch der Jahrmärkte gestattete und dass sie in Allem den Christen gleich behandelt werden sollen, „außer dass jedes Judenhaupt auf jedem Markte einen Dukaten bezahle“. Im Jahre 1638 befahl der Kaiser, dass „wegen schlechter Verwaltung“ jeder Jud, der zum Markte kommt, einen Reichstaler zahle (in Krems waren deren über 300).

Trotz Ausweisungspatente blieben die Juden im Lande. Um das Jahr 1610 waren sehr viele Juden in Gobatsburg, welche von dem Herrschaftsbesitzer Maximilian von Bollhaim die Erlaubnis einer eigenen Synagoge (Haus Nr. 9), eines eigenen Leichenhofes, eines eigenen Richters, und viele Freiheiten erhielten. Im Jahre 1614 beklagte sich der Stadtrat in Linz, das der hiesige Stadtrat den Bürger Isaal Ernst, der im Markte zu Linz 420 fl. Schulden machte, nicht ausgeliefert habe, wie sie verlangten. Er drohte, im nächsten Markte einen anderen Bürger von Krems zu arretieren, und so lange zu behalten, bis der Ernst gestellt sein wird. Im Jahre 1660 beklagte sich die Innung der Fleischhauer in einer Eingabe an die Regierung, dass die nur „tolerierte Sekte der Juden“ sich unterstanden habe, um ein Privilegium einzukommen, selbst nach ihren Zeremonien zu schächten. In derselben heißt es unter an-derm: „Wo nun diese von Gott selbsten vermaledeite Judenschaft unter dem Schein ihrer Zeremonien, und als suchtens nur ihre Tägliche Leibsnotturft dadurch, das eigene Fleisch ausschächten erhielten, wurden En es unerlernter treiben, für gutes ungarisches Vieh Waldt und Zichoren, tüe, und Stüer verhalten, und also die Christenheit damit mörtlich hinterführen, ja nit Achtung geben, ob das Vieh gerecht oder ungerecht, gesund oder ungesund sene, sondern ridig und reidiges ja halb abgestandenes Vieh denen armen Christen umb einen ringen Wert aushaden, dadurch allerhand Krankheiten verursachen, dessen se nit allein dein Scheich noch gewissen tragen, sondern Gott das saistift Schlachtopfer getan zu haben, ihnen einbilden wurden. Und weilen aber deiner Arbeit, sondern nur des Wuchers und Schächtern gewohnt, wurden En unterschiedliche verdorbene Christenfleischhacker aufnehmen, die sich, wenn Se von den Juden abgebaut, selbsten niedersetzen und aushaden wurden. Die Wirt, Köch, Leitgeb, Hauerburger oder Bauern wurden sich danach regulieren und gedenken, ist es den losen Juden erlaubt, warum den sollten wir Christen nit auch ein Rindl Vieh für unser Göst oder Hausgesindl selbsten schlächten, wodurch das Handwerk und Jro Maj. Besölln nit wenig ruiniert wurden. Die Juden esseten freilich nur den fordern Teil des gesunden Viehs, das übrig und Schlechter wer gar gut für die Christen. Öffentlich wurden sie das feinere Teil haben, das Schlechtere aber unter den Armen Hausieren tragen, wo mancher Hauswirt zur Zeit der großen Feld- und Weingartenarbeit für sein Gesindl nichts besseres einkaufen wurde. Wir haben nur dies Gewerb alleinig, mießen davon Weib, Kind und Dienstboten erhalten, Steuer, Gaben, Quartier und anderes abrichten, auch zur Zeit des Unfriedens, davor uns Gott gnädig erhalte, müssig bleiben, Tag und nächtliche Macht ausstehen, Se, die Juden, daneben mit allerhand Handtierungen schächern und wuchern teten; Tag und Nacht, wie Se tunden und möchten, die Christenheit hintergehen und hinterführen, zur Zeit des Unfriedens laufen Se davon, und wurden also Se oder wir in Bettl geraten und in das eisserist verderben. Wo ein Judenfleischhacker ist, werden die unsrigen ruiniert. Zu Weidersfeld gingen wegen der Juden 13 Meister zu Grunde. In Mandhofen besteht nun von 4 Christenfleischhackern nur mehr einer. In Spiß haben nur die Juden das Fleisch. In Enzersdorf, Schwechat und Himberg sind die Christenfleischhacker fertig. Auf dem Drengrieß sieht man nur mehr die Juden ˆ sie laufen Alles in der Partie zusammen und regieren den ganzen Markt“. Schließlich bitten sie, man möge die alten Privilegien schützen und das Handwerk vor dem gänzlichen Ruine bewahren. Doch wechselnd sind die menschlichen Schicksale. Nach einigen Decennien fehrten die Juden selbst er Stadt den Frieden, ja sie Sprachen sogar im Jahre 1700 den Bann über die Stadt Krems aus und blieben ihren Märkten ferne. Doch kamen sie später wieder, denn der Stadtrat erließ 1702 ein Edikt, in welchem er die Anmaßung der Juden, sich selbst einen Judenrichter zu wählen, um ihre Streitigkeiten zu schlichten, tadelte und befahlt, den Judenrichter wie vor Altersher zu wählen und dem Stadtrichter bei Bönsall vorzustellen. Große Aufregung verursachte 1707 in Krems die Nachricht, dass beantragt sei, den Juden den freien Handel in Österreich auf drei Jahre gegen eine Pauschale von 20.000 fl. zu erlauben. Der Stadtrat machte dagegen eine heftige Vorstellung bei der Regierung.

Durch das josephinische Toleranzedikt im Jahre 1784 erlangten die Juden eine freiere und würdigere Stellung. Nichtsdestoweniger erschienen in den folgenden Jahrzehnten mehrere die Freiheit der Juden einschränkende Verordnungen. Es wurde den Dominien eingeschärft, den Juden weder Aufenthalt noch Handel zu gestatte (1803). Kein Israelit dar sich auf dem flachen Lande herumtreiben (1808). Das Ankaufen des Silbers durch die herumziehenden Juden wird verboten (1810). Den Juden ist verboten, Hausierhandel zu treiben (1818). Den Israeliten wird der Aufenthalt auf dem flachen Lande nur dann gestattet, wenn sie ein nützliches Gewerbe betreiben (1841). Den Juden wird neuerdings das Hausieren verboten bei Konfisationen der Waren (1846). ˆ Doch die Zeit Schritt vorwärts. Durch das Diplom vom 20. Oktober 1860 erfolgte die gesetzlich ausgesprochene freie Religionsübung der Juden und die Gleichstellung derselben mit den Christen. In Krems bildete sich eine Kultusgemeinde, zu welcher gegenwärtig circa 200 Individuen gehören, die mit den christlichen Bewohnern in leidlichem Einvernehmen leben.

Schon in alter Zeit besaßen die Juden einen eigenen Friedhof zu Krems. In einem Stiftbriefe vom Jahre 1487 wird erwähnt, dass Hans Wisent einen Weingarten, „Judenfrenthof“ genannt, gelegen zwischen beiden Städten „bunten am Kerlperg“ dem Beneficium Allerheiligen in Stein geschenkt habe. Im Jahre 1878 wurde bei der Anlage des Schulweingartens ein Schatz gefunden, welchen Ort die Tradition als den alten Judenfriedhof bezeichnet. ˆ Beim Eingang in den Kirchturm auf dem Frauenberg befindet sich noch jetzt ein jüdischer Leichenstein, der auf die Zeit des Herzogs Albrecht (1439) zurückweicht, wo viele Juden in Krems lebten. ˆ Im Jahre 1700 wurde ein Juden wegen Diebstahls aufgehängt; als im folgenden Jahr die Juden zum Markte kamen, gruben sie den Leichnam aus und brachten ihn heimlich weg. ˆ In neuerer Zeit wurde ein Judenfriedhof auf der Anhöhe der Kremsleiten errichtet und da dieser sich zu klein erwies, ein neuer Friedhof an der Straße nach Wien bei Landersdorf angelegt (1881). Ein großes Kontingent für den Judenfriedhof liefert die Strafanstalt zu Stein.

37. Kapitel
Handel und Verkehr
Jahrmärkte (Seiten 445 & 446)

…Dass die Stadt von den Jahrmärkten einen großen Gewinn hatte, ergibt sich aus Folgendem. Im Jahre 1662 wurde von der Regierung eingeführt, dass für jeden Gulden Wert auf alle Waren, welche in Krems (und den 18 mitleidenden) Städten verkauft würden, ein Zoll von 4 Pfg. gezahlt werde. Die Stadt befürchtete mit Recht, dass die Kaufleute die riesigen Märkte nicht mehr so zahlreich besuchen und in Folge dessen die Märkte in Zerfall geraten würden. Dies geschah auch wirklich; die Kaufleute gingen nach Znaim auf den Markt. Da die Bitte der Stadt um Linderung des Bestandes des 4 Pfg. Aufschlages und um Verhinderung des Znaimer Marktes erfolglos blieb, kaufte sich die Stadt mit 65.000 fl. von dieser Steuer los und schrieb an alle Handelsstädte, dass von nun an keinem Kaufmanne oder Juden dieser Auffschlag mehr erhoben werde.

Die Juden lieferten zu den Jahrmärkten stets ein großes Kontingent. Es war daher der Stadt sehr unlieb, als im Jahre 1700 die Juden Miene machten, die Kremser Jahrmärkte nicht mehr zu besuchten. Die Ursache war die gerichtliche Strangulierung eines diebischen Juden Namens Mathias Berliner im April 1700. Da dies Ausbleiben der Juden von den Jahrmärkten dem kaiserlichen und dem Stadtgefälle nervlichen Schaden brachte, so wurden die Juden aufgefordert, ihre Beschwerden gerichtlich vorzubringen. Sie taten diese in einer Beschwerdeschrift, welche 17 Punkte enthielt. Die Stadt Krems, gleichfalls aufgefordert sich zu verantworten, verfaßte eine sechs Bogen starke Verteidiungsschrift, in welche sie die Beschwerden widerlegte. Die Juden erschienen auch wieder auf den Jahrmärkten zu Krems, aber letztere verloern von Jahr zu Jahr ihre ehemalige Bedeutung, obwohl ein Regierungsdekret vom 20. Dezember 1817 allen in- und ausländischen Krämern erlaubte, die österreichischen Jahrmärkte zu besuchen. – Gegenwärtig sind die Jahrmärkte auf drei Tage reduziert und haben bei dem leichten Verkehr und den vielen bestehenden Gewerben, die für die Bedürfnisse der Stadt mehr als genügen, ihre Bedeutung verloren, so dass man schon davon spricht, sie ganz auszulassen. Fast nur das Landwolk hat noch seine Freude daran.

39. Kapitel
Justiz und Polizei
Das Widengericht (Seite 489)

…Als Beleg für die Ausübung des Widengerichtes möge ein Urteil des Widenrichters Albrecht Huber vom 25. September 1404 dienen, welches sich im riesigen Stadtarchive erhalten hat. Ein Jude zu Krems, namens Gmerzl, Herschleins Sohn von Hadersdorf, klagte, dass ihm Hanns der Liechtenberger, Weber zu Krems, sechtshalb Pfund Wiener Pfennig schuldig und nun flüchtig geworden sei. Der obgenannte Liechtenberger wurde zur Verantwortung geladen, erschien aber nicht. Es wurde konstatirt, dass diese Schuld mit Einwilligung des Burgherrn Dechant Treberger eingegangen und im Judenbuche verzeichnet worden war. Darauf gaben die Beisitzenden „Mann für Mann“ ihre Meinung ab und der Widenrichter sprach das Urteil: „Wenn der Vergeforderte nicht ur Verantwortung komme, bis dass ich aufstünde (das Gericht aufstehe), noch jemand sich seiner annehme, dann solle der Burgherr den Juden in Ruß und Gewähr setzen, damit dieser zu seinem Geld komme, dagegen soll er dem Richter sein Recht geben (Die Gerichtskosten bezahlen“.)…

Fremde Gerichtsbarkeit (Seiten 492 & 493)

…Auch das sogenannte Asylrecht wurde fortan noch respektiert. Die von der Justiz Verfolgten suchten und fanden Schutz gegen Gewalt in der Kirche und in dem dazu gehörigen Friedhofe. Einige Beispiele. Am 20. November 1720 flüchtete sich eine Mannsperson in den Friedhof, wurde aber durch Schläge und Stöße mit Gewalt daraus vertrieben und sodann durch Gerichtsdiener in wirkliche Haft genommen. Das Offikalat kitirte den Rat. – Im Juli 1716 flüchtete sich ein fremder verdächtiger Dieb, der einige beim goldenen Lampl zu Stein entfremdete Perlen verkauft hatte, in das Kapuzinerkloster zeischen Stein und Krems. Das Kloster wurde un „umb und umb“ mit Wachen vom Stadtgericht besetzt und die Regierung befragt, „was mit besagten Diebg geschehen soll, der das Asyl des Klosters benützt und auch nicht ausgeliefert wird? Dass derlei Fremptionen ihre Schattenseiten hatten, bedarf keiner Erörterung. Kaiser Joseph II. hob das Asylrecht und alle anderen Fremptionen auf. Heutzutage sind alle Staatsbürger vor dem Gesetz gleichberechtigt.

42. Kapitel
Das Finanzwesen
Die Münze (Seite 530)

…Die Babenberger Herzöge übten von Anbeginn an das Recht Münzen auszuprägen und zwar befanden sich die Münzstätten zu Wiener Neustadt, Wien und Krems. Kremser Münze stand wenigstens schon 1157 im Gebrauch und wird auch in den Urkunden öfter erwähnt. Zum Beispiel: Im Jahre 1180 kaufte Abt Marquard von Garsten um 5 1/2 Pfund Kremser Münzen einen Wenigarten zu Krems von Radelroh, dem Münzer. – Zu einer Schenkungsurkunde an das Stift Alderspach vom Jahre 1195 kommt ein Talent Kremser Münze vor. – In einer Urkunde Herzog Friedrichs 1196 kommen Ditrich und Bernold, Wechsler und Münzmeister von Shrembs als Zeugen vor.

Es gab eiegen Wechselgewölbe, welche die zahlreich vorkommenden fremden Münzen gegen die Landesmünzen austauschten, da es noch keine gleiche Münzwährung gab und das Geld als Waare galt. Der Geldwechsel, zumeist in den Händen der Juden, war ein einträgliches Gewerbe, aber für jeden Handelsmann ein Bedürfnis. So verkaufte im Jahre 1360 Friedrich der Schelm, Bürger zu Krems, sein Haus an dem hohen Markt zu Krems, niederhalb des Brotmarktest, dazu das Wechselgewölb unterhalb Ulrich des Kundaker Haus gelegen, um 169 Pfund Wiener Pfennig an das Stift Wels. Herzog Rudolph erließ 1360 die Ordnung gegen unmäßigen Wucher und Überzins, unter dem die Städte Krems und Stein litten…

45. Kapitel
Kulturstörungen
Epidemien (Seiten 577 & 578)

Im Laufe der Jahrhunderte wurd die Stadt, trotz ihrer gesunden Lage, wiederholt von ansteckenden todbringenden Krankheiten heimgesucht. Zum ersten Mal wird die Pest im Jahre 1347 erwähnt. Diese schreckliche Landplage forderte zahllose Opfer und führte in Krems eine Judenverfolgung herbei, weil man die Juden der Brunnenvergiftung beschuldigte. Im Jahre 1349 wütete die Pest in den heißen Monaten Juli und August am stärksten, nahm mit dem Eintritt der kälteren Jahreszeit allmälig ab und erlosch im Oktober. Man fürchtete das Ende der Welt und hielt große Buße für notwendig. Die Pest war Veranlassung, dass die Sekte der Flagellanten sich in Österreich sehr verbreitete; besonders zogen im Jahre 1349 ganze Schaaren von 60, 100 und mehreren Menschen im Lande herum, und wollten durch strenge Ausübrungen das Ende der Pest bewirken.

Im folgenden Jahrhundert erschien sie zum zweiten Mal. Die Krankheit kam aus Ungarn nach Österreich und forderte im September 1481 in Wien viele Opfer. Sie äußerte sich durch Plattern und Lähmung der Glieder, befiel zumeist junge Leute und dauerte, wo sie ausbrach, gewöhnlich drei Monate. In Krems starben viele Personen. Im Jahre 1495 entdeckte ein Bauer in einem Weingarten bei Krems eine Quelle klaren Wassers, welches sich als wirksames Mittel gegen die Seuch erprobte. Das Volk drängte sich zu dem Heilbrunnen, und dessen Wasser wurde teuer verkauft. Später wurde eine Bildsäule bei der Wunderquelle aufgestellt und es kam viel Geld zusammen, so dass der Bischof von Passau (als Grundherrschaft) und die k. f. Kammer Ansprüche daraus machten.