Interview mit Miriam Elbogen

„Wir haben nicht geglaubt, einmal wird noch einer leben von uns“

Die jüdischen Zwangsarbeiter von Droß 1944/451 Robert Streibel

In der Geschichte unseres Landes, in der Chronik des Schreckens zwischen 1938 und 1945 sind die jüdischen Zwangsarbeiter, die 1944 in die Ostmark deportiert nur eine Fußnote. In der wissenschaftlichen Literatur wurde sehr spät diese Opfergruppe und deren Schicksal untersucht und dies ist kein Wunder. Es braucht hier nicht der Verbitterung und des Zynismus, um dies zu kommentieren, da nicht einmal die Geschichte der hier durch Generationen lebenden Juden dokumentiert war, warum sollte dann die Frage nach jüdischen Zwangsarbeitern gestellt werden, die nur einige Monate hier gelebt hatten und von denen danach nichts mehr zu hören war. Das Standardwerk von Szabolcs Szita „Verschleppt, verhungert, vernichtet“2 über diese ungarischen Opfer des Nationalsozialismus erschien erst 1999 mit achtjähriger Verspätung in deutscher Übersetzung und legt nun die Basis für weitere Forschungen.
Dürftig und kurz sind die Berichte der Landräte, zu denen sie im Juli 1944 vom Reichsstatthalter gebeten worden waren. Gefragt waren die Erfahrungen mit dem Einsatz von „Juden als Arbeitskräfte“. 41 Juden in Arnsdorf, eingesetzt zur Holzschlägerung, 54 in Rehberg, Juden, zumeist alte Männer, Frauen und Kinder
1 Der Recherchen zu diesem Aufsatz konnten mit Unterstützung des NO ** und durch die Zuerkennung des Förderungspreises des Theodor-Körner-Fonds 1998 der Kammer für Arbeiter und Angestellte durchgeführt werden.
2 Szabolcs Szita „Verschleppt, verhungert, vernichtet“. Die Deportation von ungarischen Juden auf das Gebiet des annektierten Osterreich 1944-1945. Wien 1999 279 Seiten.

arbeiten in Wäldern, sind eingesetzt zur Ausbau von Güterwegen, in Ziegeleien und in Steinbrüchen.
Im grundlegenden Buch über-diese-Opfergruppe von Szabolcs Szita wird es das dichte Netz, mit dem unsere Heimat überzogen war deutlich, in rund 170 Orten in den Gauen Niederdonau und Steiermark3 dazu kommen noch alleine im Gau Wien an die 80 Standorte mit „Haftstätten“ und Einsatzorten für ungarische Zwangsarbeiter. Es ist eine unglaubliche Herausforderung für Heimatforscher zu zeigen, dass die Gräuel nicht fern von zu Hause, sondern vor unseren Haustüren passierten, eine Aufgabe, der jedoch oft nur schwer zu entsprechen ist. Die Datenlage zu diesen Opfern ist nur sehr mangelhaft, die schriftlichen Grundlagen, sind neben den bereits erwähnten Landratsberichten dürftig, bleiben Zeitzeugen vor Ort. Die Betroffenen, die Überlebenden haften in den Monaten, die sie hier verbringen mußten, in der Regel keine Beziehung zu den Orten und deren Bewohner aufbauen können/wollen, kehrten nach der Befreiung in ihre Heimat zurück und flohen vor der kommunistischen Diktatur 1948 nach Israel und Amerika. Somit sind es Zufälle, die uns die Möglichkeiten geben, aus erster Hand das Schicksal dieser Zwangsarbeiter nachzuvollziehen.

Jüdische Zwangsarbeiter in Langenlois
Im Umkreis von Krems waren z.B. jüdische Zwangsarbeiter auch in Langenlois in der Ziegelei von August Karl Kargl, des Bürgermeisters von Langenlois und späteren Landeshauptmann Stellvertreters eingesetzt. Einer jener Zufälle war es, der mir den Zugang zu einem Schreiben aus Israel an Herrn Kargl zugänglich machte? In dieser Postkarte schreibt Yehoshua Stern aus Herzlia, Meonot Dvorah: „Ich soll eigentlich damit beginnen: ,Hoch klingt das Lied vom braven Mann“ denn die Familien Horowitz, Kraus, Farkas, Goldstein sind des Lobes voll!‘ und wenn ich 3 Ebd. S. 148ff. 4 Die Briefe wurden mir von Antonia Kargt, der Witwe des Sohnes von August Kargl zur Verfügung gestellt.

Sie auch persönlich nicht kenne, so freut es mich sehr, daß es auch, in den dunkelsten Hitler Jahren 1944/45 solche edle Menschen wie Sie, Herr Kargl gab! (…) Ihre Freunde werden sich (incl. mir) freuen, Sie als Gast zu empfangen!“5 Neben der Adresse des Briefschreibers sind diesem Schreiben auch die Namen jener ungarischen Familien, die später nach Israel, Herzlia ausgewandert waren, angeführt, also gute Voraussetzungen gegeben, um über diese Gruppe mehr zu erfahren.
Ein weiterer Brief von Yehoshua Stern vom 30. Mai 1960, ist erhalten geblieben, wo neben der Bestürzung über den Tod von August Karg! am 6. Jänner auch der Satz zu finden ist, dass die Familien in Israel die „Wohltaten und sicher auch das Leben“ August Kargl und seiner Familie verdanken würden. „Seine israelischen, dankbaren Freunde wollen das Andenken, dieses wahrhaft edlen Menschen (…) dadurch ehren, das wir auf den Namen des gottseligen Herrn Gemahl, Bäume auf den Höhen Jerusalems pflanzen lassen durch den nationalen Aufforstungsfonds: zum ewigen Gedenken dieses Menschenfreundes. Die Urkunde darüber sende ich Ihnen (über die Pflanzung des Haines auf den Namen des Verblichenen) mit separater Post.“6 Ob die ebenfalls im Brief angeführte Erde und die antike Öllampe, die für das Grab von Kargl bestimmt waren, in Österreich eingelangt sind, läßt sich nicht sagen, denn in einem Brief, der Monate später geschrieben wurde, wahrscheinlich im Oktober 1960, bedankt sich Theresia Kargl für „den lieben Brief“, der die Freunde der Familie zu Tränen gerührt habe und versichert, daß die Erde Jerusalems so wie die Öllampe am Grabe aufgestellt würden?
Trotz intensiver Nachforschungen mit Hilfe des in Herzlia lebenden Kremsers Abraham Nemschitz gelang es jedoch nicht bei meinem Besuch in Israel im Mai 1997, Familienangehörige der genannten Personen zu finden. Ein einziger Zeitzeuge, ein ebenfalls aus Ungarn gebürtiger Schuster konnte sich in der Synagoge in der Nordau street noch an die Familien erinnern, meinte jedoch, dass niemand mehr lebe und alle weggezogen seien.

Nur soviel wissen wir…
Wie wenig über die vielen Arbeitsgruppen auf dem Gebiet des Waldviertels bekannt ist, gesteht auch Szita. Die detaillierteste Auskunft über diese Gruppe betrifft die Reisestationen, wenn er schreibt: „Über eine Einsatzgruppe mit Juden aus Debrecen wissen wir so viel, daß sie aus Strasshof nach Wien-Schwechat, später nach Wien-Floridsdorf und schließlich nach Krems gebracht wurde.“8 Um welche Gruppe es sich dabei gehandelt hat, läßt sich heute nicht mehr mit Sicherheit sagen, vor diesem Hintergrund gewinnt das Material über die jüdischen Zwangsarbeiter aus Droß jedoch noch größere Bedeutung.
Die Geschichte der kleinen Gruppe jüdischer Zwangsarbeiter in Droß in der Nähe von Krems ist nur ein kleines Mosaiksteinchen, bietet jedoch die einmalige Gelegenheit, eine realistische Antwort auf die Frage zu bekommen, was denn heute überhaupt noch über das (Über)Leben und das Verhältnis zur ansässigen Bevölkerung herauszufinden ist.
Die Beschäftigung mit dem Mosaikstein Droß und seinen menschlichen Dimensionen hat mir nach mehr als 15 Jahren Beschäftigung mit dem Thema des Nationalsozialismus im Raum Krems deutlich gemacht, wie sehr die Ergebnisse von der Gegenwart überlagert werden, es sind nur Annäherungen an die Wahrheit und sehr oft nur Zwischentöne, die für Urteile und Bestätigungen herangezogen werden können, zum Beispiel im Fall des Verhaltens der Bevölkerung zu den jüdischen Zwangsarbeitern gegen Ende des Krieges, wobei im Fall von Droß nicht die Gewalt, sondern die Dimensionen des Dazwischens entscheidend ist. Durch einen programmierten Zufall, so würde ich die Tatsache nennen, die diese Forschung möglich gemacht hat und die für diese Art von Heimatforschung, die nicht mit der Publikation eines Buches abgeschlossen sein kann und erst dann die ungewöhnlichsten Spuren freilegt, wenn den Hinweisen, die oft nach Jahren erfolgen, nachgegangen wird.
In der Liste von Szita findet sich für Droß bloß der Hinweis auf jüdische Zwangsarbeiter, ohne ein Datum des Beginns der Zwangsarbeit bei der Forstverwaltung als Arbeitgeber nennen zu können. Bei dieser Arbeit sollen nur Männer zum Einsatz gekommen sein und als Tag der Befreiung wird der 4. Mai 1945 angegeben. Mehr nicht.
Von dieser Gruppe jüdischer Zwangsarbeiter konnte der Verlasse zwei Überlebende in Israel und eine Überlebende in den USA, in New York ausfindig machen und befragen. Eine Gemeinsamkeit und die Schwierigkeit, in allen drei Fällen war es, dass die Überlebenden bislang nicht über ihre Erfahrungen gesprochen, selbst die Angehörigen, Kinder und Enkelkinder kennen diese Geschichte, diese Vorgeschichte ihres Lebens nicht oder nur sehr bruchstückhaft. Im Fall des 1933 geborenen Moshe Wohlberg blieb zum Beispiel während des Interviews die Frau sitzen, da sie die Geschichte des Mannes bislang so noch nicht gehört hat, Seine Schwester in New York, Martha Wieder meinte über die Möglichkeit innerhalb der Familie darüber zu reden: „1 cant talk to my children about that, they should not know that human beings can behave like that.“ Miriam Elbogen formuliert es in einer Mischung aus Jiddisch, Deutsch und Englisch: „Sie haben gewußt. Aber haben nicht erzählt, was hat dort passiert. Das, wer war nicht dort, kennt nicht, 1 think, maybe, maybe, kennt nicht. Da man ist a kranke Mensch, the head sick, genau das. Wenn keine… Aber heute sie wissen…“ Für Miriam Elbogen ist die Erinnerung an diese Zeit mit der Erinnerung an die Ermordung von 100 Familienmitgliedern verbunden „meine Schwester hatte zehn Schwestern und Brüder“. Von ihrer Familie und jener ihres Mannes haben lediglich 10 Personen überlebt.9 Wie schwierig und wie spät diese Beschäftigung auch innerhalb der Familien der Oper ist, kommt auch in einem schriftlichen Interview der Enkelin von Miriam Elbogen‘ zum Ausdruck. In der Zusammenfassung schreibt sie: „Als ich diese Arbeit anfing dachte ich an die Geschichte meiner Familie. Im Zuge der Arbeit entdeckte ich eine neue Familie, die ich gar nicht kannte. ifh war auch überzeugt, dass ich, hätte ich besser schreiben können, viel mehr hätte daraus machen können.“10
Die Geschichte dieser kleinen Gruppe jüdischer Zwangsarbeiter aus Droß ist aus drei Gründen von besonderem Interesse, das über den lokalen Bezug hinausgeht. Durch die persönlichen Schilderungen kann diese Opfergruppe nicht nur in ihrer Rolle als Opfer definiert, sondern kann auch die Vorgeschichte und das jüdische Leben in Ungarn vor dem Krieg zumindest ansatzweise rekonstruiert werdenä Weiters wird durch die Interviews ein Beispiel geliefert, wie viel menschliche Tragik und Leid hinter jenem Transport verborgen sind, der in der Literatur und in der Auseinandersetzung über die Rolle der Kooperation von Mitgliedern der Kultusgemeinde bei der Deportation als Geschichte der „verwechselten Züge“ eine Rolle spielte. Nicht zuletzt kann an Hand der Zeitzeugenberichte auch die Frage der Bedeutung von Erinnerungen für Aussagen über das Verhalten der Bevölkerung gegenüber Zwangsarbeiter gestellt werden. Endgültige Antworten sind für diesen Punkt nicht zu erwarten, aber bereits die Fragestellung alleine, gibt möglicherweise Denkanstöße für einen sensiblen Umgang mit der Geschichte.

Gleichgültigkeit, Haß oder Verdrängung?
Eine für die Geschichte unseres Landes wesentliche Frage ist das Verhältnis der Bevölkerung zu den deportierten jüdischen Flüchtlingen. Authentische Aussagen 9 Miriam Elbogen. Interview geführt von Robert Sireibel am 29.5.1997 in Tel Aviv. 10 Schriftliche Zusammenfassung eines Interview s mit Miriam Elbogen durch ihre Enkelin „‚ 3 Seilen Hebräisch (Übersetzung Dr. Rita Koch). über die Einstellung gegenüber Juden am Ende des Krieges sind selten und die Einschätzung in den Landratsberichten spiegeln wohl eher die Einstellung des Verfassers wider und lassen nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf die Bevölkerung in den Dörfern und Städten zu. So stellt der Landrat von Krems fest, daß die Umsiedlung von Judenfamilien aus Ungarn zum Zwecke des Arbeitseinsatzes mit einigem Unbehagen verfolgt worden sei, da gefürchtet wurde, „daß dies der Beginn einer dauernden Rückkehr der..k reits glücklich Iosgewordenen Menschenart sein könnte.“ (ZITAT i:

Die Frage an die drei Überlebenden gerichtet brachte,jedoch auch keine eindeutigen Aussagen und macht deutlich, mit welcher Sorgfalt und Fingerspitzengefühl bei der Auswertung dieser Quelle gegangen werden muß. Zum ersten Mal erwähnt Martha Wieder die Behandlung im Vergleich zu ihrem bisherigen Schicksal.
R.St:: Do you remember when you first came to Droß?
M. W.: „Oh , yes, they treated us Ilke human beings there. lt was nearly normal. We had a bed and a kitchen, it was a decent room. An elderly lady cooked for us. We worked very hard, but they did not yell at us. We had no relations, it was very hard for a young girl Ilke me.“
Zwangsarbeiter, die „wie Menschen behandelt wurden“ und das Urteil: es war „nahezu normal“. Das ist die Einschätzung über den Aufenthalt in Droß. Auf die Ernährungssituation und Hilfeleistungen durch die Bevölkerung angesprochen meint Frau Wieder:
R. St.: The people from Droß gave you to eat?
M.W.: Yes. 1 don’t remember where we got it from, but probably from them. They fett sorry for what was happening.
They were very human, my goodness. Human beings for other human beings. They were definitely very nice.
In dieser Passage wird diese Einschätzung noch erweitert und interpretiert: „Die Bevölkerung hatte Mitleid mit uns.“ An die Ankunft in Droß kann sich Moshe
Wohlberg noch erinnern und sein Erlebnis bekräftigt diese Einschätzung. Es sei ein Freitag gewesen und am Samstag hätte die Gruppe noch nicht arbeiten müssen.

„So, 1 go with my father for a little walk, so beautiful everything, you know, the apple trees by the road, you know. We saw the loving, you know, the ox with the cow, … So, we looked, we watched people working there, so we came to the land Beide kamen gerade zurecht, als ein Bauer-auf dem Feld-Brotzeit machte, sich ein Scheibe Brot abschnitt und–eingroßes-Stück Speck. “ He saw us looking. ,Come here‘, an he gave me a piece of bread with a bacon… For me, to 1 eat bacon, you know, is like to kill my mother. 1 was very hungry, so my father he said me: „My son, eat.“ So 1 ate an Sabbat a piece of bacon and bread.“ Ein völlig anderes Bild zeichnet hingegen Miriam Ellenbogen, eine Cousine von Moshe Wohlberg. Auf die Frage, ob sie von den Bewohnern von Droß auch Essen bekommen hätten, entwickelt sich folgender Dialog:

R.St.: Haben die anderen Bewohner in Droß, die Menschen, Ihnen auch etwas gegeben, Essen?
M.E.: Nein
R.St.: Nichts?
M.E.: Gar nichts. Ständig haben Sie gesagt, daß sie haben nichts.´
R.St.: Sie haben auch nichts?
M.E.: Ja, ja.
R.St.: Hat wer gefragt, oder?
M.E.: Ja, ja, ja.
R.St.: Wer, Sie oder?
M.E.: Ja, ich habe gefragt. Ja, ja. Nein, die Leute waren nicht freundlich, waren nicht sehr freundlich.
R.St.: Hat es niemanden gegeben, der freundlich war?
M.E.: Nein.
Die einzige Hilfe, an die sich Frau Elbogen erinnern kann, kam von zwei Kriegsgefangenen, Amerikanern oder Engländern, die im Ort gearbeitet haben sollen und die danach weggekommen sein sollen. „Zwei haben uns gegeben etwas Schokolade….Zwei haben gehört, „Jud“, haben sie ein bißchen geholfen mit Essen, mit Kleidung…“ rt
Anders hat die Situation Moshe Wohlberg erlebt, der zum Zeitpunkt der Deportation 12 Jahre alt gewesen ist. Da er nicht arbeiten konnte/ hat er von seinem Vater den 11 Miriam Elbogen. Interview.
Wohlberg noch erinnern und sein Erlebnis bekräftigt diese Einschätzung. Es sei ein Freitag gewesen und am Samstag hätte die Gruppe noch nicht arbeiten müssen.

„So, 1 go with my father for a little walk, so beautiful everything, you know, the apple trees by the road, you know. We saw the loving, you know, the ox with the cow, … So, we looked, we watched people working there, so we came to the Tand
Beide kamen gerade zurecht, als ein Bauer auf dem Feld Brotzeit machte, sich ein Scheibe Brot abschnitt undeingroßes-Stück Speck.
“ He saw us looking. ,Come here‘, an he gave me a piece of bread with a bacon… For me, to 1 eat bacon, you know, is like to kill my mother. 1 was very hungry, so my father he said me: „My son, eat.“ So 1 ate an Sabbat a piece of bacon and bread.“
Ein völlig anderes Bild zeichnet hingegen Miriam Ellenbogen, eine Cousine von Moshe Wohlberg. Auf die Frage, ob sie von den Bewohnern von Droß auch Essen bekommen hätten, entwickelt sich folgender Dialog:

R.St.: Haben die anderen Bewohner in Droß, die Menschen, Ihnen auch etwas gegeben, Essen?
M.E.: Nein
R.St.: Nichts?
M.E.: Gar nichts. Ständig haben Sie gesagt, daß sie haben nichts.
R.St.: Sie haben auch nichts?
M.E.: Ja, ja.
R.St.: Hat wer gefragt, oder?
M.E.: Ja, ja, ja.
R.St.: Wer, Sie oder?
M.E.: Ja, ich habe gefragt. Ja, ja. Nein, die Leute waren nicht freundlich, waren nicht sehr freundlich.
R.St.: Hat es niemanden gegeben, der freundlich war?
M.E.: Nein.
Die einzige Hilfe, an die sich Frau Elbogen erinnern kann, kam von zwei Kriegsgefangenen, Amerikanern oder Engländern, die im Ort gearbeitet haben sollen und die danach weggekommen sein sollen. „Zwei haben uns gegeben etwas Schokolade….Zwei haben gehört, „Jud“, haben sie ein bißchen geholfen mit Essen, mit Kleidung…““
Anders hat die Situation Moshe Wohlberg erlebt, der zum Zeitpunkt der Deportation 12 Jahre alt gewesen ist. Da er nicht arbeiten konnte hat er von seinem Vater den 11 Miriam Elbogen. Interview. Auftrag erhalten, in den Bauernhöfen um Essen zu betteln, wobei er sich als Flüchtling ausgeben sollte, was ihm leicht fiel siebals-blond-Bub-als Arier auszugeben. Alleine habe er die ganze Gegend abgewandert, ein um ein Jahr älteres Mädchen habe auch bei den Bauern gebettelt, doch jeder hafte sein Territorium. Auf die Frage, wie er die Bevölkerung erlebt habe, meint Moshe Wohlberg gemäß seines ersten Erlebnisses mit einem Bauern: „Friendly, yes, but most of them, maybe one or two Said: „Raus, das ist nicht für Bettler“. 90% friendly. Sometimes they don’t give me nothing, but not… They say, we have not. ,Ein Krieg, wir haben nichts‘.“12
Im Ort kann sich Moshe Wohlberg nur an zwei Frauen erinnern, mit denen sich sein Vater angefreundet habe und die ihnen öfter etwas zu Essen gebracht hätten. An diese beiden Frauen kann er sich auch deswegen erinnern, weil er sehr erstaunt war, „daß zwei Frauen einen Bauernhof führen, denn unter 60 Jahren hat es keine Männer gegeben dort im Dorf, nur Frauen und Kinder.“13 Wenig konkretes über die Situation der Zwangsarbeiter kann der damals ebenfalls Reither: Ja. Mit denen hatten wir weniger zu tun.
R.St.: Na hat man sie gesehen?
Reither: Ja, na sicher, weil sie ja arbeiten haben müssen.
R.St.:: Das hat man schon gesehen?
Reither: Ja, gesehen hat man sie schon.
R.St.: Ja. Und hat man eigentlich gesehen, daß es denen schlechter geht, als dem der… Hat man das schon gesehen oder nicht?
Reither: Ich meine, sie werden nicht alles gehabt haben, net?14
12Moshe Wohlberg. Interview geführt von Robert Streibel (Ubersetzer Abraham Nemschitz) am 27.5.1997 in Massuoth Yizchak.
13 Moshe Wohlberg. Interview.
14 „‚ Reither. Interview geführt von Robert Streibel am „‚ in Droß.
Wie gefährlich die Situation für die jüdischen Zwangsarbeiter tatsächlich war, was durch die bisherigen Aussagen nicht zum Ausdruck gekommen ist, spiegelt das Erlebnis von Moshe Wohlberg mit einem Uniformierten ( „1 know not exactly policeman, a very old man in uniform, a grey uniform, a soldier“) bei einem seiner Betteltouren wider. Dieser Mann habe ihn angehalten und ihn zurechtgewiesen, daß er wisse, daß er Jude sei und betteln verboten ist.
„If 1 get you again, 1 put you in… You would not see your family any more.“
Dieses Erlebnis Ëœ das möglicherweise in der Umgebung von Lengenfeld stattgefunden hat Ëœ habe ihn traumatisiert und wenn er daraufhin einen grauen Schatten gesehen habe, sei er Kilometer weit gelaufen. Gesehen habe er diesen Uniformierten noch mehrmals, aber immer nur aus sicherer Entfernung. Gegen Ende Jänner, Anfang Februar 1945 ist Moshe Wohlberg das einzige Mal nach Krems gekommen, um Pferdefleisch zu kaufen. ( „Wie die Bombardements begonnen haben, haben wir gehört, daß Pferde Ëœ tote Pferde Ëœ herumlagen, die von den Bomben verletzt und getötet wurden.“)
In zerrissenen Schuhen und mit kurzen Hosen, mußte er die 8-10 Kilometer zurücklegen. Woher sein Vater das Geld gehabt habe für diesen Einkauf, weiß er heute nicht mehr, den Weg zum Fleischhauer habe er einfach erfragt. Auf dem Rückweg war er so müde und erschöpft, daß er es ohne Hilfe unmöglich geschafft hätte mit den zwei Kilo Fleisch auf dem Rücken. Als ein Konvoi mit Militärfahrzeugen gekommen sei und der letzte Wagen stehenblieb, habe er sich auf die rückwärtige Stoßstange gesetzt und sich gebückt, damit er nicht vom Wagen gesehen werden konnte und sei so mitgefahren. In Droß angekommen, ist er runtergesprungen und in den Straßengraben gerollt. „Wenn ich über den Holocaust etwas gewußt hätte, hätte ich mich das sicher nicht getraut.“

Das Leben in Ungarn
Die Familie von Moshe Wohlberg lebte in der ostungarischen Kleinstadt Hajdühadhäz mit 14.000 Einwohnern 20 Kilometer von Debrecen entfernt. Die jüdische Gemeinde umfaßte rund 400 Personen. Samuel Wohlberg, der Vater war ein „Holzhändler“ (Moshe Wohlberg), „he cut timber and made furniture and wine barrels“ (Martha Wieder).

Auch heute gibt es in Hajdühadhäz mit etwas mehr als 13.000 Einwohnern lediglich zwei größere Betriebe mit 12 und 5 Angestellten, die in der „secondary timber processing“ tätig sind.

Die Familie Wohlberg umfaßte zum Zeitpunkt der Besetzung Ungarns durch die deutschen Truppen am 19. März 1944 drei Mädchen im Alter von 15, 18 und 19 Jahren, sowie zwei Buben im Alter von 11 und 7 Jahren. Von der Familie Wohlberg leben heute noch Moshe Wohlberg in Massuoth Yizchak in Israel und sein jüngerer Bruder in Jerusalem, der orthodox ist und zu dem die Familie wenig Kontakt zu haben scheint und die Schwester Martha Wieder in New York.

Das Zusammenleben bis zur Besetzung durch die Deutschen beschreibt Martha Wieder als problemlos ( „we had such a beautiful relationship with the Hungarians. They were such fine people.‘) Der Vater sei geachtet gewesen und der Bürgermeister von Hajdühadhäz habe immer erklärt, daß er es nicht zulassen werde, daß ihm irgendwer etwas zuleide tun. Die Schilderung des Lebens davor ist jedoch immer mit dem danach verknüpft.
„lt’s such a terrible thing that a person can turn into such a terrible creature, like animals! We always went to school together and were the best friends. And when it came to this Situation… lt’s so unbelievable that human beings can be so… 1 don’t know, 1 have no words… no expression for that. We were so close. We ate only kosher food. They loved to visit us. We played together and talked together, and when it came to this terrible situation they became different. Certainly not everybody.“15
Die Weigerung von Samuel Wohlberg, die Tochter Martha weiter studieren zu lassen, wird von ihr heute als Angst vor einer zu starken Assimilation interpretiert. Sie habe nur die Grundschule absolviert und der Besuch der „high school“ hätte einen gemeinsamen Unterricht mit Buben bedeutet. Damals hätte sie das nicht verstanden.
„1 loved school. 1 was plain sick from not being allowed to go to highschool. Our school director came to my father to convince him that 1 should get a higher education, but no way! He was a good father. Now 1 understand the reason why it was not possible. lt was hard not to mix with other people.“ An Antisemitismus in ihrer Schulzeit kann sie sich nicht erinnern ( „I was a child, 1 was always very observant in these things, but 1 did not realize anything.“).

Dass bei allen drei Zeitzeugen keinerlei Erinnerung an den Antisemitismus vor dem Einmarsch der Deutschen vorhanden sind, hängt sicherlich auch mit der Jugend zusammen und wäre verwunderlich, da der Antisemitismus im Osten Ungarns eine besondere Tradition hafte und es im Ort Tisza-Eszlar noch in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts zu einer Ritualmord-Anklage kam, die jedoch mit einem Freispruch endete. Auf diesen Vorfall basiert auch das Stück von Arnold zweig „Ritualmord in Ungarn“ später „Die Sendung Semaels“. Wenngleich auch in Ungarn 1938 erste antijüdische Gesetze verabschiedet wurden16 und mit Ferenc Szälasis „Pfeilkreuzlern“ eine radikale Gruppe das Land terrorisierte, ist es nicht unwesentlich mit dem Historiker Robert Wistrich auf die mangelnde Kooperationsbereitschaft des ungarischen Staatschefs Admiral Horthy in der Lösung der „Judenfrage“ zu verweisen. Goebbels beklagte die „lasche haltung des ungarischen Staates“ und schrieb über die Unterredung von Horthy bei Hitler, daß er sich auch in Zukunft mit Händen und Füßen dagegen sträuben werde, „das Judenproblem wirklich tatkräftig in Angriff zu nehmen.““

Die erste markante gesellschaftliche Veränderung nach den schleichenden Verschlechterungen sei mit dem Einmarsch der Deutsch gekommen. Die Gesichter haben sich verändert. ( „Even people’s faces changed. Everybody was shocked. We did not know what was happening, we had heard about all that, like Poland, but we would not believe that it would happen to us, we where so close with the people. We could not hear this aggression.“18)
Miriam Elbogen, eine geborene Wizzelberg, eine Cousine von Moshe Wohlberg lebte ebenfalls in Hajdühadhäz. Ihr Vater war Uhrmacher und hafte sein Geschäft jür Juwelen und Textil19 direkt am Hauptplatz. An Antisemitismus kann sie sich ebenfalls nicht erinnern, die höhere Schule hatte sie jedoch nicht mehr besuchen dürfen, aufgrund des Numerus Clausus.

Bereits bevor die im Ort ansässigen Juden in ein Getto gesperrt wurden, befand sich in der Umgebung von Hajdühadhäz ein sogenanntes Arbeitslager für jüdische Männer. Im Interview mit ihrer Enkelin schildert Frau Elbogen die Begegnung mit ihrem späteren Mann.

„Großvater Michael war im Arbeitslager. Juden nahm man nicht mehr in der Armee auf, sondern schickte sie in Arbeitslager. Er kam Ende 1943 in unsere Stadt zusammen mit tausenden jüdischen Männern jedes Alters. Sie waren in einem Lager im Wald und wenn sie einen freien Tag hatten, kamen sie in die Stadt und so haben wir uns kennenglernt. Bei uns war die Zentralstelle für Pakete und viele Familien schickten ihnen Pakete an unsere Adresse, denn im Lager durften sie keine Pakete erhalten. Im allgemeinen haften sie Sonntag Nachmittag frei, da kamen sie alle zu uns und wir bewirteten sie, wir kochten für sie und taten alles, was möglich war, um ihnen zu helfen.“20
Das Geschäft verlor die Familie Wizzelberg bereits schon bevor man die Familie ins Getto gesperrt habe und dort Uniformen und Gewehre gelagert. Im Interview mit ihrer Enkelin erklärt Frau Elbogen über die Situation$ach dem Einmarsch der Deutschen: „Sie nahmen uns das Geschäft und das Haus weg und machten draus ein Lager für Wehrmachtsuniformen. Uns gaben sie ein kleines Zimmer im Hof, um 18 Martha Wieder. Interview.
19 Interview der Enkelin von Miriam Elbogen.
20 Interview der Enkelin von Miriam Elbogen.
dort zuwohnen.“21 Der Vater starb bereits vor der Einlieferung ins Getto 1943 und das Geschäft wurde von einem älteren Bruder und der Mutter weiter geführt. Ihr Vater habe damals schon gesagt, daß auch die Juden in Ungarn abgeholt werden würden „Und mein Vater hat gesagt, daß in Polen, in Tschechien, das wird zukommen für uns auch.“ Ein befreundeter Rabbi habe das damals verneint: In Ungarn werde das nicht passieren, keinmal. Auf Transport habe sie dann diesen Rabbi getroffen. „Er ist umgekommen“.
Laut Szablocs Szita wurde das Sammellager Debrecen am 21. Juni 1944 in der Ziegelfabrik Serly eingerichtet und in dieses Lager die Juden der Umgebung unter anderem auch von Hajdühadhäz getrieben. Bereits vorher hatten die Juden aus Hajdühadhäz in einem Getto zusammengepfercht rund zwei Monate hindurch verbracht. Für Moshe Wohlberg war das Getto-Leben, so eigenartig dies heute auch klingt ˆ ein Abenteuer „No it did not look for us fearius or something dangerous or something. lt was funny“. Es gab keinen regelrechten Schulbesuch, wenngleich versucht wurde/illegal die Kinder zu unterrichten, aber Kinder spielen überall „always. Everywhere children play“. Natürlich hätte es unhaltbare Zustände gegeben in den beengten Unterkünften. Der Abtransport aus dem Getto sei gegen fünf Uhr Früh erfolgt, die Polizei sei gekommen und die Familie hätte zehn Minuten Zeit gehabt, um die Sachen zu packen. Während Moshe Wohlberg kurz erwähnt, daß seine Mutter vor dem Abtransport aus dem Getto gestorben sei, erklärt die ältere Miriam Ellenbogen, daß die Kinder nicht gewußt hätten, daß die Mutter von den Nazis getötet worden sei ( „Man hat sie gemacht tot“) und nach dem Abtransport habe man sie von einem Pferd durch die Stadt schleifen lassen mit einer Tafel: „das ist der letzte Jude“. Doch davon wisse zum Beispiel der Sohn bis heute nichts. Für Martha Wieder ist der Abtransport mit einer großen Gleichgültigkeit verbunden. „The journey did not interest me. We wanted to be in Auschwitz.
We were in such a lethargy that we did not care. Suddenly the train turned back and they took us to Theresienstadt. We happended to be in that train going to Theresienstadt, like animals, Iying there and waiting.You did not realize what was going an around you.“
Von Debrecen wurden zu drei Terminen Juden in Waggons Richtung Auschwitz verschickt und zwar am 25. 27. und 29. Juni 1944. Zum letzten Termin konnte dann der Gendarmerie-Oberstleutnant Zusammenfassend berichten, daß aus Debrecen insgesamt 13.084 Personen der „Judenrasse“ abtransportiert worden sind. Über die Fahrt in Waggons, zusammengetrieben wie Vieh, hat Moshe Wohlberg ein „blackout“. ( „1 think, 1 have some blackout at all this time one week in the waggon. 1 don’t remember, if 1 eat something for the week, almost not drink also.“) Die Fahrt habe sechs Tage gedauert und der Zug sei an der ungarisch-polnischen Grenze stehengeblieben, um zurück nach Österreich dirigiert zu werden. ( „Wir warteten einen ganzen Tag in den Waggons“).
Ob es es sich bei diesem Transport von den Familien Wohlberg und Wizzelberg um den in der Literatur als „umgelenkten Zug“ bekannte Deportation gehandelt hat, kann nicht eindeutig festgestellt werden. Zur Rückfahrt nach Ungarn erzählt Frau Elbogen ihrer Enkelin:
„Wir konnten uns retten, weil sie uns dann anch Auschwitz schickten, aber auf der Reise gab es Bombardements und wir konnten nicht weiterfahren. Nach drei Tagen brachten sie uns zurück nach Budapest und von Budapest schickte man uns nach Wien. In der Nähe von Wien gab es ein großes Lager, man nannte es Straßhof.“2
In der Literatur ist die Frage dieses umgelenkten Zuges, der eigentlich für Auschwitz bestimmt gewesen wäre, im Zusammenhang mit den Versuchen von Dr. Rezsö Kasztner vom Ungarischen Zionistenverband, ungarische Juden von der SS freizukaufen, diskutiert worden. Tatsächlich wird im Buch von Szita ein Transport vom 27. Juni erwähnt, der die Strecke Budapest ËœHatvanËœMoskolc-Felsözsolca gefahren sei, aber anstatt nach Kaschau weiterzufahren, sei er dieselbe Route in die entgegensetzte Richtung zurückgefahren und erreichte am 30. Juni den Rangierbahnhof in Strasshof. Von Kaztner wurde im Jahre 1946 beim Kongreß des Zionistischen Weltverbandes die These von den verwechselten Zügen vertreten, wonach ein SS-Zugbegleiter erst an der Grenze bemerkt hatte, daß ein Transport nicht an die Westgrenze, sondern nach Auschwitz dirigiert worden sei. Szita stellt unumwunden klar, daß diese Erklärung ins Reich der Mythen zu verbannen sei. Als Erklärungsansatz für diesen umgelenkten Zug, in dem sich Moshe Wohlberg und seine Familie befanden, bietet Szita die Interpretation an, daß Ernst Kaltenbrunner dem Wiener Bürgermeister Blaschke 12.000 Juden versprochen habe, aber die Verminderung der Arbeitsfähigkeit Ëœ nur 30% der im Lager Strasshof eingetroffenen Juden seien arbeitsfähig gewesen Ëœ durch neue Transporte aufgefüllt worden wären.

„Zu Recht ist anzunehmen, daß das Judenkommando die durch Arbeitsunfähgkeit, Entkräftung und Todesfälle arg verminderte Gruppenstärke der „Strasshofer“ Zwangsarbeiter mit dem Transport vom 27. Juni aus Debrecen ergänzen wollte.“24

Das Lager Strasshof
Aufgrund des Eisenbahnknotenpunkte Stripfing und Gänserndorf wurde das Lager Strasshof für die Selektion der Judenaus Ungarn gewählt, wobei die Infrakstruktur des 1941 für deutschsprachige Rücksiedler aus den eroberten ,Ostgebieten‘ und für ,Freiwillige‘, die in der deutschen Kriegsindustrie beschäftigt werden sollten, Barackenlagers Verwendung fand.25 Während jedoch das Lager auf einem Areal von 8 Hektar ursprünglich nur für 6000 Menschen vorgesehen war, reichen die Schätzungen der dorthin deportierten Juden auf mindestens 10.000 Personen, die höchste Angabe liegt bei über 20.000 Personen 26 Welche dramatischen Szenen sich in diesem Lager abgespielt haben müssen1brauchen nicht weiter erwähnt werden, dass es bisher keinerlei Versuche gibt diese grausame Kapitel der Heimatgeschichte zu schreiben, muß hier allerdings angemerkt werden.
Rund zwei Wochen dürften die Wohlbergs im Lager in Strasshof gewesen sein. Im Lager in Strasshof herrschte eine Art Selbstverwaltung mit einem Lagerkommandanten, dem beinahe Bürgermeisterrechte zugekommen sein sollen. Die schmutzige Arbeit hätten ukrainische Wächter mit Hunden besorgt und die Rufe „Schnell, schnell, verfluchte Juden! Ruhe“, höre er heute noch, meint Moshe Wohlberg. Die Ukrainer hätten sich beim Vormarsch der Russen und Rückzug der Deutschen letzteren angeschlossen, zitiert Szita aus den Unterlagen des Komitees für Betreuung der Deportierten.27 An die Ukrainerinnen und an die Hunde kann sich Miriam Elbogen nicht mehr erinnern, nur daran, daß überall Menschen gestanden und gekauert seinen. „Menschen seien weit da, da, da, da, überall, überall, überall Menschen, überall.“28
Das Lager in Strasshof ist für Moshe Wohlberg mit einem schrecklichen Erlebnis verbunden, denn bei der Selektion mußten sich alle nackt ausziehen, für ihn ein traumatisches Erlebnis eseine Tante, seine Cousinen, seinen Vater und Geschwister nackt zu sehen. Am Ende einer langen Reihe von deportierten Juden saß eine Beamtin, die mit einem Gummistempel entweder ein X oder Y auf die Hand stempelte. Während die Tante mit ihren Töchtern ein Y bekam hafte die Familie des Vater ein X gestempelt bekommen. „Wir haben nicht gewußt, ob ist gut oder das ist schlecht°29

„Mein Vater war der Familienälteste, und darum ist die Tante zu ihm gekommen. Vater hat ihr gesagt, sie soll das Zeichen abwischen, und dadurch hat sie sich ihnen angeschlossen und wurde gerettet. Er hat nie wieder Menschen getroffen, die in der Reihe standen mit einem Y auf der Hand. Mein Vater hat ihr gesagt:
27 Szabolcs Szila. S. 51 f.
28 Miriam Elbogen. Internview
29 Ebd.
„Wisch es ab von dir und von deinen Töchtern und stell dich zu uns.“ That is surrealistic. Das ist unvorstellbar.“30
Arbeiten in Droß
Von Strasshof wurde die Gruppe zuerst in einem Waggon und dann in einem Lastwagen nach Droß gebracht, wo sie im Jägerhaus am Ortsende untergebracht waren. Über die Größe der Gruppe der jüdischen Zwangsarbeiter gibt es unterschiedliche Angaben. So berichtet Moshe Wohlberg von 44 Personen, die nach Droß gebracht worden wären, Miriam Elbogen spricht von 38 Personen, wobei nur 20 gearbeitet hätten.
Der Vater von Moshe war der Älteste und so auch der Gruppensprecher. Selbst die Namen einzelner Familien sind noch bekannt. So habe es eine Familie Gutmann mit zwei Schwestern gegeben, die ebenfalls nach Israel auswandern konnte, eine Familie Samet und eine Familie Spitzer mit 8 Kindern, wobei die alte Frau für alle gekochte hätte. Selbstverständlich habe es bei der Essensverteilung und bei der Zuteilung der Rationen gelegentlich Streit gegeben. Besonders ist jedoch Moshe Wohlberg eine Familie in Erinnerung, die sich sehr „aristokratisch“ benommen habe, die sehr fromm waren und darauf geachtet hätten, auch unter diesen Umständen koscher zu essen. Da Severin Worel mit seiner Frau, der Großmutter von Leopoldine Steininger ebenfalls im Jägerhaus wohnte, wo auch die jüdischen Zwangsarbeiter untergebracht waren, war die damals Elfjährige häufig im Haus zu Gast. „1 bin mit die Kinder, die eine hat Iboja g’heißen, dann war die Familie Guttmann, die Frau hat a große Warze am Hirn g’habt, weil als Kind hat mi des fasziniert.“31 Über die Essensrationen weiß Miriam Elbogen nur mehr, daß es 2 Kilogramm Fleisch für die ganze Gruppe Ëœ 38 Personen Ëœ pro Woche gewesen sei, sonst nur Brot wie auf der Karte und Kartoffeln. Martha Wieder erwähnt auch: „We made our own bread (Mazze). They gave us Flour.“ Von den 38 Personen hätten jedoch nur 20 gearbeitet, der Rest seien Kinder gewesen oder Arbeitsunfähige und Alte wie Moshes Vater. Die einzigen „Männer“, die es in der Gruppe gegeben habe, seien 16 Jahre alt gewesen, der Rest waren nur Frauen und junge Mädchen. Einer der Burschen habe sich bei Holzarbeiten das Bein gebrochen und sei bald nach dem Krieg gestorben. Eine Schwester von Miriam Elbogenhat sich bei Holzarbeiten ebenfalls durch einen Span verletzt, der den Finger anschwellen ließ. „Das war aufgeschwemmt. Das Ëœ etwas ist hereingerinnt, ein Stück Holz. Nachdem das hat man gemußt schneiden.“
Zwei Monate hat die Gruppe aus Frauen und zwei Halbwüchsigen an einer Straße gearbeitet und Steine geschleppt und zerkleinert, danach wurde die Gruppe zur Waldarbeit eingeteilt und mußte Bäume umschneiden und zerkleinern. Der Arbeitstag dauerte 12 Stunden, von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends, mit einer Frühstückspause und einer halben Stunde Mittagspause. „Wir haben gehabt eine Arbeit, weil man hat nicht gekennt herumsitzen“, meint Miriam Ellenbogen. Der Aufseher: Severin Worel
Beaufsichtigt wurde die Gruppe von einem kleinen untersetzten Mann, der Ëœ wie sich Moshe Wohlberg erinnert „mehr gebellt hat als gebissen“.
„Er wollte nur seine Stärke zeigen, und irgendwie Eindruck schinden auf seine Vorgesetzten, so daß er öfters gekommen ist mit Schreien, und Vorwürfe gemacht hat, daß sie zum Arbeiten gekommen sind und nicht zum Faulenzen. Der Severin Worel Ëœ soweit ich mich erinnern kann Ëœ hat er mehr Eindruck schinden wollen. Er hat den Eindruck gemacht, daß er ein Mann war, der plötzlich irgendwie eine bessere Stellung bekommen hat und in eine Position gekommen ist, wo er sich aufführen kann, aber soweit ich mich daran erinnere, war er wahrscheinlich selbst nur ein Hausdiener oder ein Knecht.“ Diese Person des Severin Worel hat den Ausschlag gegeben, damit die Geschichte der jüdischen Zwangsarbeiter von Droß überhaupt geschrieben wurde. Nach dem Tod seines Vaters hafte Moshe Wohlberg 1985 Droß besucht, um die Familie jenes Aufsehers zu suchen und sich bei ihr zu bedanken, wie er seinem Vater auf dem Sterbebett versprochen hat. Diesem Besuch wurde anfangs in der Familie Steininger in Droß nicht so große Bedeutung zugemessen und erst als der Journalist Martin Kalchhauser und seine Frau Gudrun angeregt durch die Debatten über die Restaurierung des jüdischen Friedhofs in Krems in ihrer Familie nachfragten und in einem Brief nähere Auskünfte aus Israel erbaten, antwortete Moshe Wohlberg im Juni 1995:
„In Betracht ihrer Bitte Ihnen mein Wissen über Ihren Urgroßvater mitzuteilen, werde ich Sie wahrscheinlich etwas enttäuschen, da ich zur Zeit ein elfjähriges jüdisches Kind war, und welchen Kontakt hafte schon ein solches mit dem Chef, oder welche Gelegenheit mit ihm auch nur zu sprechen. Außerdem war der Chef immer sehr beschäftigt. Schon frühmorgens zog er in den Wald zur Arbeit beim Bäumefällen mit einer Gruppe jüdischer Arbeiter und kam er spät des abends zurück. Nur Sonntags sah ich ihn sich etwas um seine Haustiere kümmern; einige Kaninchen und etwas Geflügel, die draußen umherliefen. Jedenfalls habe ich nie eine Klage über eventuelles grausames, oder auch nur unnötig schroffes Benehmen seinen Arbeitern gegenüber von meinen Schwestern oder meinem Vater gehört. Selbstverständlich mußte er auch ab und zu mal streng zugreifen, wenn etwas nicht nach der von ihm verlangten Regel ausgeführt wurde, und dann hörte man natürlich auch lautere Stimmen, was ja begreiflich ist. Heute früh habe ich mich nochmals bei meiner Schwester, die jetzt in den USA lebt, telefonisch in Verbindung gesetzt, um von ihr weitere Auskunft über Ihren Ahnen zu bekommen. Auch sie bestätigte meinen Eindruck, in dem sie sagte, daß Ihr Urgroßvater ein anständiger Mensch war, energisch, aber korrekt, was wohl das Resultat der Lebensart seiner Umgebung war. (…) Im Vergleich mit denjenigen, die in den Konzentrationslagern schmachteten, verbrachten wir die Zeit in einem ,Erholungsheim‘. (…)“

In einem Postskriptum fügt Moshe Wohlberg noch eine kurze Charakteristik über Severin Worel hinzu: „Er war von kurzer Statur, hatte einen wiegenden Gang, wie ein Seemann und soviel mir bekannt ist, war er vor unserer Ankunft ein Förster auf einem Gut in der Gegend. Ich entsinnne mich da noch einer Sache. Als die Deutschen, am Tage an dem sie den Ort verließen, Fässer mit Panzertreibstoff, die neben dem Gebäude lagerten, anzündeten, zwängte er sich zwischen die brennenden und explodierenden Fässer und rollte solche, die noch nicht brannten aus der Lagerung in Sicherheit. An Mut fehlte es ihm also auch nicht“32
Ähnlich äußert sich auch Miriam Ellenbogen: „Er war korrekt. Er war ein älterer Mensch“. Bevor Severin Worel bei der Gruppe im Wald aufgetaucht ist, sei immer zuerst das „Skelett“ gekommen. „Wir haben schon geschaut, das Skelett, der Hund kommt, dann kommt er.“ Martha Wieder meint über den Aufseher: „Yes, there were two people. An elderly man who came with us. Once in a while an „Aufseher“ came to see how the work was going on. The old man was not cruel, he talked to us, we joked, like you do with young girls.“
Severin Worel war ein Mann, der sich korrekt verhielt, doch war er mehr als das? Rettete er den ungarischen Zwangsarbeitern zu Kriegsende tatsächlich das Leben? Bevor ein Versuch gestartet wird, diese Frage zu klären, müssen jedoch die spärlichen Fragmente zusammengesucht werden, die ein ungefähres Bild dieses Aufsehers geben.
Die Angaben über Severin Worel sind äußerst dürftig. Er wird einerseits als gutmütig und lustig beschrieben ( „er war gut aufgelegt, aber er hat niemanden beleidigt und gar nix. Und sehr fleißig war er. Ja er war auch lustig. Er hat mitg’sungen beim Heurigen, das weiß i schon auch.“33), andererseits als liebevoll mitfühlend als „armer Narr“.
Laut Pfarramt wurde Severin Worel als ehelicher Sohn von Thomas Worel, römisch-katholisch, einem Heizer aus Wien 19 und der Thersia Worel, geb. Friedl,am 21.8. 1885 geboren. Wann Severin Worel nach Lengenfeld kam, ist nicht mehr bekannt, bereits in den „Jugendjahren“ ist die einhellige Auskunft sowohl der Pfarre als auch der Marktgemeinde Lengenfeld. Er wurde als Kind von der Familie Johann Stöger, nunmehr Haslinger angenommen. Anfang der 30er Jahre kam er als Knecht zur Familie Preiss, ins Kaufhaus in Lengenfeld (Langenloiserstraße 67) „Dort hat er gewohnt und gearbeitet. Herr Preiss verstarb 1936 und seine Witwe gab das Kaufhaus und die Landwirtschaft auf. Daraufhin kam Herr Worel nach Droß zum Maier Wirtshaus.“34 Später heiratete er Frau Maier, Mutter der Anna Steinschaden aus Lengenfeld. Ernst Thaler aus Lengenfeld, Jahrgang 1919 erinnert sich an den „Friedl“: „Er ist schön daherkommen, hat seine Virginia allaweil g’raucht und war immer freundlich“

Die Suche nach den Spuren von Severin Worel zeitigt nur wenig konkretes über die Lebensumstände, ermöglicht jedoch auch ein Panorama der gesellschaftlichen Situation, die Erinnerung an den einzigen Juden von Lengenfeld, den Kaufmann Siegfried Hirsch, dessen Geschäft 1938 auch geplündert wurde, an die illegale NS-Bewegung im Ort Ëœ rund um Lengenfeld wurden geheime Appelle abgehalten, bei denen die Illegalen in Zelten im Jungewald übernachteten Ëœ und die Erinnerung an ein Lengenfelder Opfer des Justitzpalastbrandes 1927, „ein Roter, Hinterecker. Da waren die roten Flintenweiber heraußen: „Ignaz, dein Blut ruft nach Rache“ und haben die Taschentücheln vor die Augen gehalten.“35

Ernst Thaler war 1938 bei der Frontmiliz und als Schuschnigg abdankte; haben er und fünf andere die Gewehre aus dem Magazin geholt und in ihrem Weinkeller versteckt. Kurze Zeit später seien die fehlenden Gewehre bereits entdeckt worden und die Gruppe festgenommen und nach Krems zum Verhör gebracht worden. Vorher hätten aufgebracht Nazis jedoch nach Lynchjustiz gerufen. 34 Auskunft Lenengenfeld 8.9.1995
35 Ernst Thaler. Interview . „Gebt’s es uns oba, mir derschlag’n’s glei, scheißt’s nicht so lang um mit eahna“, so ähnlich hat er aufeg’schrian. Und dann, wie ma oba ham dürfen, hab’n die alle ein Spalier g’macht, da haben wir durchgehen können. Aber dann haben wir zum Rennen ang’fangt…“36 In den ersten Wochen nach dem „Anschluß“ hätte er so viele Watschen bekommen wie nie zu vor in seinem Leben, daher hätten sie auch in dieser Zeit das Haus fast nicht verlassen. Doch auch nachdem sich die Lage für Thaler „normalisiert“ war er nicht vor Denunziationen gefeit und die Radausflüge mit Freunden wurde als Teilnahme an einer illegalen Versammlung gedeutet. Der Mann, der sie damals denunziert hat und ihnen drohte „da laßt’s euch den Schädel abschneiden“ sei dann nach dem Krieg immer sehr freundlich gewesen. Über das Weiterleben mit den ehemaligen Nazis nach 1945 meint Ernst Thaler lakonisch:

„Da war eine Ruh‘, weil da hat alles so zusammengehalten, weil da waren wir jt von den Russen besetzt. Da haben Nazis, Schwarze, Rote, all( zusammengehalten. Wie ich heimgekommen bin, hat meine Schwester gesagt Du, die Längenfelder halten so z’samm‘, kein Wort hört man mehr von einen Vorwurf oder von was, die halten so z’samm‘, weil die Russen überall einbrecher gehen.“37 Das Kriegsende in Droß
Kurz vor dem Kriegsende tauchte Militär in Droß auf, „plötzlich ist viel Militä gekommen, alle in schwarzen Uniformen, SS-Uniformen mit Totenkopf“.38 Währen( sich Moshe Wohlberg als erstes vor allem an die SS erinnert, berichtet der Droße Gerhard Hintendorfer, der 1945 elf Jahre alt war, detailliert über die einzelnes militärischen Abteilungen. Für den Jugendlichen Josef Reither war, wie für Moshi
36 Ebd.
37 Ebd. Ernst Thaler mußte im November 1939 mit 20 Jahren einrücken und kam 1945 zurück. „Die schönsten Jugendjahre“.
38 Wohlberg. Interview . Wohlberg das Leben im Getto, das Kriegsende eine spannende, eine „schöne Zeit“, so unglaublich dies auch klingen mag.

„Und wir haben dann das Masel gehabt, da hat es alles gegeben. Da haben wir schon das Rauchen schon angefangen und ausprobiert, weil da haben wir Zigaretten genug gehabt, net? Die sind dort kartonweise eingelagert worden. Da hat es zum Essen gegeben irgendwie. Und zum Frühstück was eben… in Großwaren halt. Da hast alles zum Essen gekriegt (…) Da hat ja nichts gefehlt. Das war ja super da. Da hat es ja so gar nicht gegeben damals. „39
Gerhard Hintendorfer erinnert sich auch an das Verpflegungslager für die Wehrmacht, das direkt gegenüber des Jägerhauses, wo die Juden unterbracht waren, errichtet wurde. Von Droß aus wurde die Verpflegung der kämpfenden Truppe aus organisiert. „eine Küche war auch dort, die haben gekocht, alles in Gefäße gefüllt und mit Lastwagen in der Nacht weggeführt. Da sind drei Lastwägen ausgefahren, und meistens ist nur einer zurückgekommen.“40 Tagsüber wurden die Lastwagen vom I-Trupp (Instandsetzungs-Trupp, der im Haus der Eltern von Hintendorfer einquartiert war) wieder notdürftig repariert für den nächsten Einsatz. Weiters habe es im Ort noch eine Bäckerei gegeben, eine Schlächterei und eine Funkleitstelle. Nicht nur die Frauen im Ort, sondern auch die jüdischen Zwangsarbeiter mußten ab dem Zeitpunkt der Einquartierung des Militärs im Lager aushelfen.
Die jüdischen Frauen wurden zu Reinigung und zum Kochen im Hauptquartier des Militärlagers abkommandiert, können aber über keinerlei negativen Erlebnisse berichten. Für Moshe Wohlberg ist es heute klar, daß die Soldaten wußten, daß es sich bei ihrer Gruppe um Juden gehandelt habe, ein einzige Mal hätte es jedoch einen Zwischenfall gegeben, als ein Offizier seinen Schäferhund auf ihn gehetzt habe. „er hat mich zu Boden geworfen und mir die Hose zerrissen und er hat gelacht und dann den Hund wieder zurückgerufen.“
Eine Bestätigung für dieses Wissen um das Schicksal der Gefangenen auf der anderen Straßenseite, liefert ein Erlebnis der elfjährigen Leopoldine Steininger.

„Und i weiß no gut, der Putz von dem SS-Hauptmann, der hat g’sagt, die g’fallert ihm halt so gut (eine Tochter der Familie Guttmann). Das war so a blonde, a dunkelblonde, a fesche. Da hat er g’sagt: „Die g’fallert mir. Wenn i net bei der SS wär‘, und wenn das keine Juden wären, das wär‘ dann mei Frau“, hat er immer g’sagt.“41
Wie unterschiedlich die Stimmung in diesen letzten Wochen bei der deutschen Wehrmacht in Droß war, beleuchtet auch die Erzählung von Gerhard Hintendorfer, der sich an eine Szene ganz deutlich erinnert, als ein Offizier vom Nachschub von seinem Einsatz zurückkam und in der Küche saß und alle Erkennungsmarken jener Soldaten auf den Tisch schmiß, die gefallen sind. „Die haben sich alle gegenseitig gekannt. Na, der auch?“ hat er immer gesagt. Also ich war ganz weg. Damals, da habe ich mir oft gedacht, na ein richtig begeisterter Nazi ist das auch nicht.“ Einer der Offiziere hat auch der Familie Hintendorfer geholfen, nachdem der ältere Bruder eine Einberufung zum Reichsarbeitsdienst bekommen hat. „Der Offizier hat gesagt, na heute kommt eh ein Vorgesetzter von mir. (…) Der hat sich den Buben angeschaut und hat die Einberufung eingeschickt und hat gesagt, er soll derweil dableiben, nicht einrücken. (…) Der hat uns praktisch geholfen“ 42 Andererseits hätte es auch solche Soldaten gegeben, die noch am letzten Tag mit der Pistole herumgeschossen haben, weil sich einige Soldaten ein Zivilgewand besorgt haben. „Da war der Krieg schon, kann man sagen, zu Ende, hat der noch umeinandergeschossen.“ Einige „ganz Verbohrte“ wollten auch zu diesem Zeitpunkt nicht die Realität wahrhaben, „daß der Krieg schon aus ist. Die haben ja eigentlich noch weitertun wollen.“
41 Leopoldine Steininger. Interview.
42 Gerhard Hintendorfer. Interview . Zwei, drei Tage vor dem Ende des Krieges zogen unendliche Kolonnen von Panzern durch Dreß Richtung Norden. Severin Worel soll, so die Erinnerung von Moshe Wohlberg, die abrückenden Soldatenkolonnen verflucht haben und ihnen nachgeschrieen haben: „Bleibt stehen und kämpft gegen die Russen. Wenn die Russen herkommen, werden sie nur vergewaltigen und alles nehmen, was noch da ist“, und: „Seid keine Feiglinge, bleibt stehen und kämpft.“ Worel habe so lange geschrieen, bis ein Soldat auf ihn zugegangen ist und ihm einen sehr schrecklichen Hieb versetzt hat, daß er in den Straßengraben gerollt ist“, so die Erinnerung von Wohlberg.
Kurz vor dem Abzug der Truppen soll ein Berg von Benzintrommeln angezündet worden sein. Worel sei damals ins Feuer gesprungen und habe einige brennenden Fässer weggerollt, damit sie nicht explodieren. Über die Beweggründe für dieses Handeln kann nur gemutmaßt werden. War dieser Sprung ins Feuer die Verhinderung einer Explosion, oder die Sicherstellung von wertvollem Rohstoff? Während Moshe Wohlberg im Brief von „Mut“ spricht relativiert er dies im Interview und meint, Benzin war damals eben wertvoll.‘ Unmittelbar danach hat sich die Gruppe der jüdischen Zwangsarbeiter im nahegelegenen Wald versteckt. „Der Vater hat zu allen gesagt, jeder soll irgendwas nehmen und auf und davon. Er hat eine Stange Wurst genommen, Brot genommen. Jeder hat irgend etwas auch genommen, und wir sind in den Wald geflohen. Dort sind wir die ganze Nacht geblieben.“
Warum sie sich versteckten, kann Miriam Elbogenhicht mehr sagen: Damit sie nicht gesehen werden, denn da seien auch noch all die Maschinengewehre gestanden, ist ein Erinnerungsfragment. In der Früh seien dann keine Soldaten mehr im Ort gewesen. Auf die Frage, ob auch „der alte Mann“ mitgegangen sei in den Wald, meinte Miriam Ellenbogen: „Nein, das haben wir nicht gesagt, nein, nicht gewollt, daß er sollte wissen, wo wir sind. Weil er Angst gehabt. Das ist gewesen das Schwerste, diese Nacht.“«
Sowohl Moshe Wohlberg als auch Miriam Elbogenund Martha Wieder können keinerlei direkten Auskünfte über die Rettung vor der Erschießung geben. In der Familie Steininger/Stradinger wurde zwar immer wieder der Name des „Friedl“ erwähnt, die Geschichte über die letzten Kriegstage sei edoch höchst selten und nie sehr konkret erzählt. Wenngleich die Erinnerung an Severin Worel nur mehr in den seltensten Fällen auf direkten Erfahrungen und Erlebnissen beruhen, liegen neben den atmosphärischen Berichten eines Lengenfelders und von einigen Droßern und den Erinnerungsbruchstücken von Wohlberg, Elbogenund Wieder, Hinweise auf die Aktivitäten rund um die letzten Kriegstage vor. Leopoldine Steininger erinnert sich an die Einquartierung der SS, da ein Putz eines SSlers immer wieder zur Mutter gekommen sei, und um Hilfe bei der Beseitigung von Flecken gekommen sei.
„Und die SS war auch einquartiert dort, und das war a hoher Kapo, i weiß nimmermehr, wie er g’heißen hat, und der Putz, also der Putz von dem Hauptmann war ein gewisser Ernst Weißmann. Der ist immer zu der Großmutter ‚rübergekommen, wenn irgenda Fleck auf der Uniform war und hat g’sagt: „Bitte Frau Worel, was mach‘ ich? Wie bring‘ ich das weg?“ und so. Sie ist ihm immer zur Seite g’standen, weil die hat immer g’waschen für’d Leute und hat ihm geholfen. Der ist nämlich nicht gern bei der SS g’wesen, der junge Bursch und war immer a bißl.“

Auf diese plausbible Bekanntschaft fußt die Überlegung, daß Severin Worel von der möglichen Erschießung gehört hat.

„Und der Severin Worel, i weiß net, hat er g’sprochen oder ist er da irgendwie ang’redet worden, wie das war, weiß i nimmermehr, aber da hat der mit ihm g’redet, der hohe SS-Führer da, und hat ihm g’sagt: „Nächste Woche brauchts nimmermehr arbeiten, weil da müß ma die Gräber ausheben. Und zwar drüben beim Grauwald, das ist der Wald da drüben vis-a-vis von diesem Haus. Man sieht’s da, das Haus, von uns, vom Küchenfenster sieht man da sieht man das Jägerhaus, und da vis-a-vis ist der Wald, und am Waldzaun wollte man das Massengrab ausheben.
1 hab‘ ja damals als elfjähriges Kind des net mitkriegt. Aber was nachher mei Mutter erzählt hat und was i dann nachher erfahren hab‘.
Und der Friedl hat g’sagt: „Aber Herr Hauptmann, das ist ja doch unmöglich. Erstens ist uns das nicht gewiß, und zweitens“, hat er g’sagt, „der Führer braucht jede Hand.“ Und so hat er’s so weit bracht, er hat so eine Überzeugung gespielt, daß der glaubt hat, er kann’s eh no außezögern und hat sich so… “
Der Umstand, daß Moshe Wohlberg eigens nach Österreich kam, um jenen Ort zu besuchen, wo er als Kind überlebte und er nach der Familie von Worel suchte, deutet daraufhin, daß der Bewacher positiv erlebt wurde. Wie aktiv die Rolle in den letzten Kriegstagen tatsächlich war, ob es sich um die Rettung der Juden, bloß um eine nachträgliche Mystifikation gehandelt hat, läßt sich heute nicht mehr mit Gewißheit feststellen. Daß Moshe Wohlberg bei seinem Besuch im Jahr 1985 zur bereits verstorbenen Frau von Severin Worel gesagt haben soll, daß seine Familie ohne ihren Mann nicht mehr leben würde, ist eine der Erinnerungsfragmente, die innerhalb der Familie tradiert werden.
Direkt angesprochen, ob Severin Worel „politely“ war, meint Moshe Wohlberg: „Politely, he was a „Wachmann.“. Ob die Geschichte von der geplanten Erschießung bloß eine Geschichte sei, kann Herr Wohlberg nicht beantworten. ( “ If 1 want to be strictly to strict by the true, 1 have not evidence, 1 don’t know.“)
Auch als Historiker muß zur Kenntnis genommen werden, daß Teile der Geschichte eben nicht mehr rekonstruiert und nicht mehr geschrieben werden können, daß die Erinnerung für die Betroffenen zu schmerzlich ist und daß sie sich eine eingehenden Befragung wie im Fall von Moshe Wohlberg, Miriam Elbogenpnd Martha Wieder mehr oder weniger entziehen, die Berichte in Form einer Erzählung erfolgen und Nachfragen mit Fortdauer des Gespräches als inquisitorische Praxis und somit fast als Zumutung erlebt wurden. Dies ist verständlich: Die Opfer wollen nicht ein zweites mal zu Objekten werden, während sie vor 55 Jahren zu Objekten des Hasses wurden, so besteht gerade in der Beschäftigung mit oral history die Gefahr, die Zeitzeugen zu:Objekten der Wissenschaft zu machen. Diese Gradwanderung ist zu beschreiten auch auf die Gefahr hin, den Gipfel nicht zu erreich, der Überblick über das Geschehene wird trotz allem Bemühen nicht freiglegt werden können.

Die Russen in Droß
Nach der Nacht im Wald waren die Zwangsarbeiter am nächsten Tag mit einer sonderbare Situation konfrontiert. „Tiefes Schweigen. Die Deutschen sind weg, und die Russen waren nicht da.“45 Unmittelbar danach war Pferdegetrampel zu hören und ein Pferdewagen mit einer Plattform und zwei Reservepferden im Schlepptau fuhr in den Ort ein. Links und rechts auf der Plattform saßen russische Soldaten mit Maschinengewehren. Für Gerhard Hintendorfer war der Vormittag nach dem Verschwinden der SS mit der Verteilung der zurückgelassenen Waren geprägt. ( „Was die SS so liegen hat lassen, das haben die Leut alles schon weggeführt gehabt.“46) Die Rede war auch bereits von einem ersten russischen Panzer, der in Langenlois gesichtet worden sein soll. Die ersten Russen, an die er sich erinnern kann, seien zwei Reiter gewesen: ein Offizier und ein „Hilfsschakel, „der eine mit einer schöneren Uniform mit Auszeichnungen drauf, und der andere hatte nix drauf, der war nur quasi als Gehilfe mit.“. Nach mehrmaligen Schlagen an die Hintertür öffnete der Elfjährige das Tor, seine Uhr hätte er kurz Zeit später bereits „verloren“ gehabt. Mit einem Revolver fordert der Soldat von der Mutter von Gerhard Hintendorfer Schnaps, den er in den Sack mit Heu für das Pferd verstaute und wegritt.
45 Moshe Wohlberg. Interview .
46 Gerhard Hintendorfer. Interview . „Das waren die ersten Russen. Und dann haben wir beim Fenster hinausgeschaut, da ist eine ganze Kolonne mit Pferd und Wagen und Roß oben auf der Straße vorbeigezogen, Richtung Gföhl, über den Berg da hinauf. Das war die erste Begegnung. Eigentlich haben wir gesagt, sind sie gar nicht z’wider. Uns haben sie es in der Schule ganz anders eingetrichtert gehabt, wie die Russen sind. Wie grausam sie sind zum deutschen Volk. Dabei war es gar nicht so. „4,
Am Anfang hätten sich die sowjetischen Soldaten ordentlich benommen, meint auch Moshe Wohlberg und erinnert sich an einen mitgebrachten Korb mit Eiern, der Bitte diese zu braten und der Einladung an die Mädchen sich dazuzusetzen. Die Mädchen und Frauen hätten natürlich Angst gehabt, die Soldaten hätten getrunken und getrunken und ein Mädchen nach dem anderen sei verschwunden bis zuletzt nur mehr der Vater alleine mit den Soldaten übergeblieben sei. Die Soldaten hätten ihn gehalten und ihm die Pistole an die Schläfe gehalten und ihn aufgefordert das Versteck der Frauen preiszugeben.
„Plötzlich sind Offiziere erschienen, und sein Vater hat gefühlt, daß der Offizier, der erste Offizier dort ein Jude ist, oder er hat es ihm angesehen. Und da ist er zu ihm hin und hat er ihn gefragt: „Sind sie Jude?“ Er schweigt. Der Offizier wollte natürlich offensichtlich nicht zugeben, daß er Jude ist, wollte auch nicht mit ihm sprechen, aber er hat Befehl gegeben, und plötzlich war Ruh.“48
Nach der Befreiung mußten die Frauen wieder in den Wald flüchten und dieses Mal nicht nur die Frauen der Zwnagsarbeiter. Miriam Ellenbogen. „Die russischen Soldaten haben gewollt Mädla. Sind wir in den Wald gegangen, wieder in den Wald, wieder in den Wald.“ Die nachziehenden Einheiten hatten zwar ein Herz für Kinder gehabt, doch die Frauen mußten sich in Acht nehmen. „Jede Woche oder jeden zweiten, dritten Tag hat man da etwas gehört von ihnen.“49
4] Gerhard Hintendorfer. Interview . 4e Moshe Wohlberg. Interview.
49 Gerhard Hintendoder. Interview . Im Schloß in Droß zogen sowjetische Truppen ein und im Rittersaal wurde ein Lazarett eingerichtet. Was nicht gebraucht wurde, schmissen die Soldaten einfach aus dem zweiten Stock und die Kleider, die die Schwester von Gerhard Hintendorfer im Schloß versteckt hatte, wurden schnell entdeckt. ( „Hat nicht lange gedauert, haben die Russen Ëœ ein paar so Russenweiber haben sie mitgehabt, so Polakenweiber Ëœ haben die schon die Kleideln getragen von der Schwester. Ich habe gesagt: „Schau, jetzt haben sie deine Kleideln an schon.“ Das war ein Theater.“W) Auch für Martha Wieder waren die russischen Soldaten ein Alptraum:
„Anyway, the Russians came, that was a nightmare. They are plain animals. Much worse that the Germans. When we saw them we did not go out, we had to hide, when they saw a girl… my Tather and my brother used to bring us food. 1 don’t remember the details, 1 did not pay so much attention, but 1 remember this very well, that was the worst. But in the end we came home, we were save.“
Zurück in welche Heimat?
Wenige Tage oder Wochen nach der Befreiung brachen die ungarischen Zwangsarbeiter wieder auf in ihre Heimat. Die Organisation dürfte auch hier bei Wohlbergs Vater gelegen sein, der von einem Bauern zwei Pferde und einen Wagen bekommt, damit alle 38 Personen mit ihren spärlichen Habseligkeiten zur nächsten Bahnstation östlich von Krems gebracht werden konnten, da der Bahnnhof in Krems vollkommen zerstört war. Die Bahnfahrt dauerte Tagelang und bestand größtenteils aus Warten. In alle Richtungen fliehen Menschen, „die Ukrainer sind davongelaufen, weil sie Angst gehabt haben, die Schwaben wollten wieder zurück und die Juden… in alle Richtungen ist man geflohen.“ Und zwischen all diesen Flüchtenden und Suchenden die Überlebenden der Shoa in ihren gestreiften Anzügen. In einer Eisenbahnstation sah Moshe Wohlberg, Menschen, die sich nur mehr auf den Boden setzten um zu sterben. „They sit down in some corner in the same station. Dieing, just dieing, 15 men an women, 1 don’t know it exactly. Just dieing. The same, they were shaved and skin, women without breast, you can recognize there is a woman, there is a man. To die, to die. The life of a human beeing was so cheap. Nobody cares that a whole group of men is dieing there in a corner oft the station. My father took – 1 don’t know – some physicians, 1 don’t know … We took, we had food, … gave instruction how to treat the – They took them in our waggon. 1 remember this waggon, the first time they had… in the roof made a whole of maybe one or one and a half meter, in the middle of the waggon. So we had no choice we must go take that waggon, it was very dangerous. 1 remember one side sitting this group from concentration – 1 remember my father looked, he watched this people and said, „This will not live in the morning“. Several from this group died in a day or two. And most of them, ten or twelve survived. 1 hope so.“
Zu Hause in Hajdühadhäz findet die Familie Wohlberg das Haus vollkommen zerstört vor. Die Deutschen dürften vor dem Haus eine Abwehrstellung gegen Panzer errichtet haben: ein Panzer sei mitten durch das Haus gefahren. Der Vater organisiert den Wiederaufbau, treibt Baumaterial auf, um das Haus für den Winter instandzusetzen. Als er es frisch gestrichen hafte, mit einer schrecklichen ockerbraunen Farbe, der einzigen, die zur Verfügung gestanden ist, seien die Schwestern sehr enttäuscht gewesen, erzählt Moshe Wohlberg. Kurz nach dem frischen Anstrich habe ein Nachbar mit der Sense das Pfeilkreuzzeichen in die Wand gehackt. Der Antisemitismus war in Ungarn noch frisch. Für die Schwestern war dies ein Zeichen, das Land sofort zu verlassen, um nach Palästina auszuwandern. Die jüngere Schwester von Moshe, Martha blieb beim Vater, während sich Moshe selbst einer zionistischen Kindergruppe anschloß. Jeden Monat habe es 500 Zertifikate gegeben und so habe er neun Monate warten müssen, bis er 1947 nach Palästina kam. Der Vater habe ein zweites Mal geheiratet und sei dann 1951 ausgewandert. Sein Haus und das Grundstück habe er verpachtet, aber Geld habe er nie dafür gesehen, ist die vage Erinnerung von Moshe Wohlberg. Martha Wieder erinnert sich an eine gewisse Hilfe von Nachbarn für den Wiederaufbau nach der Heimkehr, aber die Kluft sei unüberbrückbar gewesen. ( „lt was never the saure again, the relations with the people. Either they resented that we came back or they fett guilty, 1 dont know.“l Miriam Elbogen berichtet ebenfalls vom vollständig demolierten Haus. „Nicht war mehr da. Das Dach war durch einen Volltreffer eingestürzt und was wir vom Joint als erste Hilfe bekamen, reichte gerade aus, um das Dach zu reparieren.“51 Die Nachbarn hätten damals so getan, als würden sie sich freuen, dass sie wieder zurückgekehrt seien. „Alle taten so, als ob sie nichts wussten und als ob nichts geschehen wäre. Sie taten so, als ob es den Krieg nicht gegeben hätte.“52 Martha Wieder heiratete 1948, ihr Mann war Student . Da sie den Kommunismus fürchteten, verließen sie das Land, heimlich überquerten sie die Grenze in die Tschechoslowakei, um über Österreich und Italien nach Israel zu kommen. Dort blieb die Familie jedoch nicht lange und wanderte nach Kanada und später in die USA aus.
Miriam Elbogeriheiratete 1947 einen Tischler und lebte dann in Budapest, auch sie erinnert sich an einen massiven Antisemitismus und an Beschimpfungen „Jud verfluchte…“

Ein Ende mit Gerechtigkeit?
Der vorläufige Endpunkt der Geschichte der jüdischen Zwangsarbeiter aus Droß kreist um die Frage der Entschädigungen, denn im Oktober 1998 richtet Miriam Elbogen an den Verfasser ein Schreiben mit der Bitte für eventuelle Entschädigungszahlungen die Namen der Besitzer des Waldes zu nennen, in denen ihre Gruppe Holzarbeiten verrichten mußten.53 Auf eine Frage an die Österreichischen Bundesforste AG wurde mir mitgeteilt, daß nicht mehr zu eruieren sei, in welchen Revierteilen rund um Droß die Zwangsarbeiter eingesetzt gewesen
51 Interview der Enkelin von Miriam Elbogen.
52 Ebd.
53 Miriam Elbogen. Schreiben an Robert Streibel vom 18. 10. 1998.