Wie ein Regenbogen spannt sich das Band

Zum 9. November 1995

Abraham Nemschitz

Ich muß gestehen, daß wir, meine Frau und ich, mit sehr zweifelhaften Gefühlen die Einladung zur Enthüllung des Denkmals der vertriebenen und verstorbenen Kremser Juden des Naziregimes angenommen haben. Wir sahen es mehr als eine Pflicht den Vernichteten gegenüber, daran teilzunehmen, um ihrer Seelen zu gedenken und deren Andenken zu ehren. Wie groß war der Eindruck, als bei Eintritt in den Friedhof beim ersten Anblick des Mahnmals meine Augen auf den Namen meiner nach Theresienstadt vertriebenen und dort verstorbenen Großmutter fielen. Meine Augen füllten sich mit Tränen und Episoden der Vergangenheit kamen aus dem Unterbewußtsein zu Tage, als langsam meine Augen von Namen zu Namen entlang des nichtendenden Stahlbandes liefen. Jeder Name eine Erinnerung, jeder Name eine Geschichte für sich. Erst als ich am Ende des Bandes stand, erfaßte ich die Idee des Bildhauers. Wie ein Regenbogen spannt sich das Band aus einer traurigen Vergangenheit beginnend in – hoffentlich – eine bessere Zukunft. Die angebliche Willkürlichkeit der aufeinanderfolgenden Namen – die nicht alphabetisch geordnet sind, erhöht diesen Eindruck. Dann erst erblickte ich den Friedhof in seinem Ganzen – ich selbst hatte ihn als einen von Unkraut überwachsenen, unzugänglichen Ort in Erinnerung – und stellte fest, daß die Schüler der 4c Klasse eine fast unmögliche Arbeit vollbrachten, das Gras gemäht, die Sträucher gestutzt, Bäume geschnitten, alle Gräber in Sicht und zugänglich. Den Schülern und der Initiative ihrer energischen Klassenvorsteherin (Namen mit Bewilligung einfügen) gebührt das höchste Lob und Anerkennung. Dies war auch der Grund, daß ich es als eine Ehre für mich fand, der Einladung, vor der Klasse am nächsten Tag zu sprechen, zu folgen. Nicht daß ich wußte, was zu sagen, aber Kinder sind unsere Zukunft und ich hoffe, daß die Worte, die ich sprach, auf fruchtbaren Boden fielen und in dem Sinne verstanden wurden, als ich es wollte. Ich danke dem Komitee und im besonderen meinem Freund, Herrn Dr. Robert Streibel, für die Einladung und bin stolz, ihr Folge geleistet zu haben. Der Tag wird für immer in meiner Erinnerung bleiben.

Abraham Nemschitz wurde stellvertretend für die vertriebenen Juden zur Einweihung nach Krems eingeladen